Donnerstag, 26. Februar 2009
Canettis "Blendung"
Elias Canetti: Die Blendung. Frankfurt a. M., Fischer: 1963 [1935]. 1981 mit dem Literaturnobelpreis bedacht.

Mein abschließender Eindruck ist zermürbend und bleibt wieder an der seit meinem Einstieg in das Berufsleben mich beschäftigenden und vorher nicht weiter wahrgenommenen (weil nicht als Ungleichheit empfundenen) Frage nach dem Geschlechterstreit hängen. Dieser in Canettis "Blendung" dargestellte Hass auf das weibliche Geschlecht, das nur als Störfaktor des Mannes erscheint, wirkt wie solcher Lust beschrieben und mit solch fundamentalen aus Kunst und Literatur schöpfenden Verweisen bedacht, dass die bis heute sich hinziehende Missachtung gegenüber der Frau gar plausibel wird. Darum, sich alles so Hinzubiegen, wie es einem gerade passt, geht es in diesem Roman und darin brilliert er meisterhaft. Schon bald hängen einem die Stellen über Therese zum Hals heraus, man kann sie, mit ihrem, so heißt es, aus 50 Wörtern bestehenden, in Kurzsätzen abgehackten Vokabular, nicht mehr hören, überspringt die sich ständig gleich bleibenden Phrasen und hofft, dass der Autor ihrer selbst bald genug hat. Alle Figuren sind verblendet geschildert, manchmal rutscht dem Autor allerdings eine Floskel von Therese bei Fischerle mit hinein, was nicht gewollt wirkt und wo sonst die je eigene Sprache der einzelnen Charaktere steht. Sein Ergötzen am jeweiligen starren Beharren und kontinuierlichen Aneinander-Vorbeireden macht den besonderen Reiz aus und ist verständlich, so auch der damit einhergehende Raubbau am letzten Nerv des Lesers, die Zumutung ist berechnet – und wirkt, weiß man doch von seinen eigenen, sich durch den Tag und verschiedene Situationen ziehenden Gedankenspielen.

Der Inhalt ist schnell geschildert: Doktor Peter Kien, der, so lautet die häufig aufgenommene Selbstbezeichnung, "größte lebende Sinologe", lebt ausschließlich in seinem Elfenbeinturm aus Büchern und Gelehrsamkeit weltfremd und ohne jeglichen Sinn für das Leben abseits seiner Bibliothek, Bücher bedeuten ihm alles. In den drei Teilen "Ein Kopf ohne Welt", "Kopflose Welt" und "Welt im Kopf" gerät Kien in den Strudel des täglichen Wahnsinns, der sich mit seinem paart. Er heiratet die stumpfe Therese, wird von der ausschließlich an Geld und Sex Interessierten, beides ihm weit entfernt, aus der Wohnung ausgesperrt und landet im Leben der Gauner und Zuhälter – bis er schließlich vom groben Hausbesorger Pfaff in dessen Kabinett eingesperrt, vom eigenen Bruder, der einzigen positiven Figur, wieder in sein vorheriges Leben und die Wohnung mit den Büchern gebracht wird, sich dort aber aus Irrsinn mit seiner gesamten Bibliothek selbst verbrennt.

Ich habe das Buch unter Qualen sehr genossen. Jeder einzelnen Figur hat sich Canetti ausufernd gewidmet, ihre Charaktere sofort ernüchternd demaskiert, ihr Dasein im Laufe der Erzählung bloßgelegt, ihre haarsträubenden Vorstellungen von sich selbst und von anderen mit den gleichfalls verdrehten der anderen so verzahnt, das einem oft übel wird. Das für Canetti und die Zeit zwischen 1920 und 1930 wichtige Thema "Masse und Macht", so auch der Titel seines Hauptwerkes, wird durch den Bruder Kiens ausgesprochen, ist aber in der gesamten "Blendung" durch den Versuch der Figuren präsent, ihre jeweils eigene Welt v. a. vor sich selbst zu rechtfertigen und sich so ihrer Einzigartigkeit zu versichern.

Für Pamina.

Tags für diesen Beitrag 这本文章的标记: Literatur 文学, Vergangenes 古代

... link (1 Kommentar)   ... comment


Blasses Grau.
Die heutigen Temperaturen mit 7° C werden auch durch den Schleier begünstigt, der beharrlich auf der Stadt liegt. Einen Tag ist es strahlend blau, den nächsten quillt die graue Masse wieder hervor. Das Experiment Peking wirkt unter dem Chemiebaukasten der Wetterbastler willkürlich ausgeführt. Wenigstens haben sie uns vor eins, zwei Wochen etwas Regen und Schnee gegönnt. Ein bisschen mehr hätte es ruhig sein können, dafür bleibt es länger hell, jeden Tag zwei Minuten mehr - ohne Sabotage. Xizhimen ist heute wieder nicht zu sehen.
Sonnenaufgang: 6:53 Uhr,
Sonnenuntergang: 18:o2 Uhr.

... link (0 Kommentare)   ... comment


2. Tag des 2. Monats
Langsam beginnen die Wiederholungen; erst zwei Wochen sind vergangen, seit ich täglich den Kalender zitiere, und schon wird das Ganze zur Laier. Bald sollte einmal eine kleine Statistik mit daraus zu ziehenden Schlüssen folgen.

Erledigungen (宜)
会友: Freundschaften pflegen - Guanxi-Charakter.
纳彩: Heute ist auch so ein Tag, an dem die Familie des zukünftigen Ehgatten der Familie der Braut ihre Geschenke überreichen sollte.

Vermeidungen (忌)
嫁娶: Die Tage, an denen nicht geheiratet werden sollte, sind deutlich höher als die heiratsgünstigen. Der Stellenwert des Heiratens und der Furcht, diese unter keinem guten Stern abzuwickeln, ist genauso wichtig wie der des Handeltreibens und fast so wie der der Ahnenopferung.
War gestern in der Zeile gesprungen, hier steht erneut 开仓: Lager eröffnen.

... link (0 Kommentare)   ... comment


1. Tag des 2. Monats in blau.
Ohje, heute ist schon morgen. Deshalb kurz Wetter und Weisheit zusammengefasst: Schön war es, bei strahlendem Blau geht es einem hier eigentlich immer gut. Heute dürfen wieder geopfert und Freunde aufgesucht werden, Heiraten steht erneut auf der No-Go-Seite, zusammen mit den scheinbar doch schon beschädigten Produkten, die weiterhin nicht repariert werden sollten.

... link (0 Kommentare)   ... comment