Montag, 7. November 2022
Kassel 2022: documenta 15 | 2022年第十五届卡塞尔文献展


Angesichts der durch die breite Medienlandschaft getragenen, ganz Deutschland aufwühlenden Antisemitismusvorwürfe gegenüber ruangrupa scheint die Beschäftigung mit Antisemitismus hierzulande aus Sicht des globalen Südens erforderlich, nicht oder nicht nur als neuerliche Selbstbeschäftigung, sondern als größeres Phänomen. So einfach ein Shitstorm, so schwierig eine wirkliche Auseinandersetzung. Hier eine gute Zusammenfassung aus der ARD-Mediathek (Hinweis von Christine): Der Documenta Skandal, von Grete Götze, ca. 45 Min., 19.9.2022 (verfügbar bis 19.9.2023).

Ich war Anfang September in Kassel, also relativ gen Ende der Veranstaltung, und hatte gedacht, dass ein Wochenende für mehr Action Sinn macht. Dem war leider nicht so. Die Werke, die bis dahin nicht abgenommen worden waren, waren natürlich alle noch ausgestellt, aber all die Events, die ausufernden Gespräche und Performances, die Begegnungen, die ich erwartet hatte, fanden nicht statt. Kassel klappte spätestens um acht Uhr abends seine Bürgersteige hoch. Eine Zermürbung seitens der Künstler·innen und eigentlich aller Beteiligten in Kassel kann ich keinem verdenken. Besonders schade ist das natürlich deshalb, weil den so notwendigen Ansätzen, den Prozessen von lumbung der gerechten Verteilung gemeinschaftlich genutzter Ressourcen durch Prinzipien der Kollektivität die Luft ausgegangen schien. Zugänglich ist ansonsten lumbung.space, das „Open-Source-basierte[…] Online-Wohnzimmer für die lumbung-Praxis“.

Immerhin geht es zaghaft weiter, so waren etwa für die Hochschule für bildende Künste (HfbK) Hamburg bereits vor der ganzen Schlacht zwei der ruangrupa-Kuratoren, Reza Afisina und Iswanto Hartono, als DAAD-Gastprofessoren eingeladen und die Schule hält, was mittlerweile leider bereits als mutig bezeichnet werden muss, am Austausch fest. Für die Öffentlichkeit folgt eine hoffentlich thematische Auseinandersetzung mit dem Titel: Encounter: documenta 15 als politisches und kulturelles Ereignis, 21.11.2022, ab 19 Uhr, im Hamburger Institut für Sozialforschung, organisiert von der HfbK mit der Helmut-Schmidt-, also der, warum auch immer, Universität der Bundeswehr Hamburg und dem DLF Kultur. Das Gespräch findet bedauerlicher-, wiewohl vonseiten der beiden Kuratoren verständlicherweise ohne sie statt und soll am 4.12. auf DLF Kultur in „Essay und Diskurs“ ausgestrahlt werden. [Nachtrag: DLF Diskurs: documenta fifteen – Vernachlässigte Diskurse jenseits der Antisemitismusvorwürfe, 78:35 Min., 4.12.2022.]

Dem teilweisen Geunke vom „Ende der Kunst“ (beispielsweise von Hanno Rauterberg, 14.9.2022) muss ich entschieden entgegnen, dass möglicherweise ein Ende des Kunstmarktes oder eines der Einzelkünstler·innen hier anvisiert wurden, aber Kunst erst stirbt, wenn uns der nächste Meteorit erwischt oder, wahrscheinlicher, wir die Klimakatastrophe nicht in den Griff bekommen.

Zahlreiche Stimmen sprechen davon, wie furchtbar diese Stadt ist. Man wird ein wenig ausgesöhnt, wenn man die Karlsaue betritt. Aber ja, leider ist die Stadt ansonsten durchzogen von massigen, vielspurigen Autotrassen, die alles durchschneiden und jede/n Fußgänger·in zurechtzuweisen scheinen. Die Plätze sind nicht weniger gruselig, besonders vielleicht in diesem trockenen Jahr, in dem hier alles verdorrt und trist aussah, viele Bäume bereits Anfang September hechelnd ihr Laub abgeworfen hatten, die Rasenflächen großteils braun waren. Von Rasen muss man sich eher über kurz als lang aber vermutlich sowieso verabschieden.


Friedericianum.


documenta Halle.

documenta fifteen, kuratiert von ruangrupa: Ade Darmawan, Ajeng Nurul Aini, Daniella Fitria Praptono, farid rakun, Indra Ameng, Iswanto Hartono, Julia Sarisetiati, Mirwan Andan und Reza Afisina, 18.6.–25.9.2022.

Hier meine Auswahl:


Voices: Against Hate and Discrimination. Participants: Citizens from Kassel, the region and beyond; pupils and students from Kassel, Winterberg, Versmond, Meschede, Berlin and New Haven; friends and visitors of documenta fifteen; Stolle Gartenbau; team Christoph Hesse Architekten.
Auf dem Friedrichsplatz.


Ebd., Detail.
Text: „Und / Krieg / Und / Frieden / Und / Krieg / Und / Frieden“.


Richard Bell.
Text: „If you cant let me live aboriginal / Why! preach democracy“; „White invaders / You are living on stolen land“.
Auf dem Friedrichsplatz.


Ebd.: White Lies Matter. Acryl on canvas, 2022.
Im Friedericianum.


Rasad: Food Objects. Local Bazaar and Supershop. Ceramic, metal, fabric, cotton, natural spices, seeds, n. d.
Artists: AKM Maynul Islam, Alok Raj Bongshi, MD. Aminul Islam, Ashim Halder Sagor, Farhana Ferdausi, Imran Hossain Piplu, Mahbubur Rahman, Shimul Saha, Shimul Datta, S. M. Saha Anisuzzaman Forque, Tayeba Begum Lipi.
In der documenta Halle.


Ebd.


Ebd.


Ebd.


Wakaliga Uganda: Football Commando. Filmstill, 2022.
Mit: Assimwe Apollo, Bisaso Dauda, Coconote studio, Harriet  Nakasujja, Isaac Godfrey Geoffrey Nabwana aka Nabwana IGG, Kasekende Mustafa, Katunda Abdul Wahab, Kazibwe Ronald, Kizito Isaac Newton, Lyagoba Suudi, Max Winckler, Mbulaiteri, Nashibah Nakibuuka, Nattembo Racheal Monica, Nsamba Francis, Ssebagenyi Ronald, Ssempala Sulaiman, Wakastarz Band.
In der documenta Halle, was ein phänomenaler Low-Budget-Actionfilm. Ich habe lange kein so aufgewühltes, sich so die Schenkel klopfendes Publikum mehr gesehen, und damit meine ich keine der Lachveranstaltung, wo man mich eh nicht findet.


Ebd. Filmstill.

Beim und im ehemaligen Hallenbad habe ich leider nicht alle Angaben finden können, was mir dem Kollektivgeist zu entsprechen scheint, bei mir manchmal doch merkwürdigen Traditionalistin allerdings Unwohlsein hervorruft. Ehre, wem Ehre gebührt, verzweifeln wollte ich auf einer Suche aber dann auch nicht. Hier ist alles von Taring Padi, s. Lumbung Gallery:


Taring Padi.
Vor dem Hallenbad.




(Rechts und links) Working Hard, Creating Actively [努力工作 | 努力创作]. Made for the gate of the Taring Padi Exhibition at Ocular Studio in Tainan, Taiwan, n. d.
(Oben und die Tür umfassend) Burning Hunger Becoming a Hammer. Original: 1999.
All Are Equal. Original: 1999, replica from 2009.


Human Earth.


Im Hallenbad. Neben mir nahm sich scheinbar vermehrt das ältere Publikum Zeit, nicht nur hier.




First They Came For Them, Then They Came For Us. O. A.


Ebd., Detail.


Increase Workers‘ Wages. Made for May Day celebrated every year on May 1st.










Sketch of Book Cover Art Smashes Tyranny. O. A.





Dann sollte es eine Show im Hübner-Areal geben. Dazu kommen wir gleich, zunächst ging es leider nur vorbei an dieser im Abriss befindlichen Fabrik, meine Reisebegleitung und ich hatten uns schon sehr darauf gefreut, in die alten, bestimmt einsturzgefährdeten Gemäuer treten zu dürfen:





Vor Hübner ging es noch zum Sandershaus, einer ehemaligen Haferkakaofabrik. Hier sollten eigentlich documentasche Versatzstücke stattfinden, die aber, wie auch an anderen Orten, abgesagt oder umdisponiert wurden. Ich vermute, dass einige Orte noch bei Drucklegung der Karten im Gespräch waren, aber dann nicht alle bestückt wurden. Vielleicht gab es jedoch auch gelegentliche Rückzüge aufgrund der deutschen Aufruhr.


Hinterm Sanders-Haupthaus, möglicherweise eine Teilfabrik. Hier gab es links und rechts ein wenig lokale Kunstwilderei.

Nun aber ins Hübner-Areal, ebenfalls einer, allerdings einer erst kürzlich ehemaligen Fabrik in Bettenhausen:


Juewen Zhang, Project Art Works: Untitled. Charcoal on paper, 2022.


Yi-Pin Huang: Natural Compensation. 60x20x10cm, sensor, mixed media, 2022.


Yaya Coulibaly, Fondation Festival sur le Niger: The Wall of Puppets. Installation, wood, masks, bamboo, concrete wire, nylon strings, 2022.
Sorry, unscharf.


Fondation Festival sur le Niger.
Die abgeriebenen Körper sind auch im Original, aber besonders hier eher auf den zweiten Blick zu erkennen.


Ebd.


Khvay Samnang, Sa Sa Art Projects: Popil. Alu-dibond print, digital C-print, 2018.

Sehr beeindruckt war ich von dem abgedunkelten, deshalb nicht sonderlich gut zu fotografierenden Gewölbe im Keller, von Amol K. Patil aus Mumbai mit Texten von Yalgaar Sanskrutik Manch, einer Gruppe junger Powada (Wandertruppe mit musikalischen Darbietungen) -Schriftsteller·innen und -Musiker·innen, mit dem Titel: Black Masks on Roller Skates. Alle Arbeiten sind von 2022 und entweder Bronzeskulpturen, kinetische Installationsskulpturen oder Tinte, Farbe auf Wasserbasis, ohne weitere Angaben. Dazu gab es ein gelooptes Performancevideo und auf dem Boden, leider ohne weitere Erklärungen, wie Grabstätten wirkende, allerdings in einer Art Landmassen angelegte, mit Erde oder ähnlichem gefüllte Holzkästen.


Amol K. Patil.













Wieder oben gab es noch vieles mehr, darunter einige kaum zu verkraftende, dokufiktive oder fiktiv dokumentarische Videos – im Gegensatz zu anderen stört mich die Verwischung der Linie von real und künstlerisch umgewandelt nicht, tatsächlich kann ich harsche Themen dadurch überhaupt nur ertragen. Ich verstehe den Beschwerdeansatz, denke aber, er geht am Thema vorbei. Ja, es geht auch ums Anprangern tatsächlicher Vorfälle, aber wir sind hier schließlich nicht im Gerichtssaal, was hoffentlich irgendwann folgt, und leider sind die behandelten Ereignisse nicht nur speziell und einmalig. Draußen gab es dann die Nerven beruhigendes Vanilleeiss mit Espresso. Es ist wirklich wichtig und richtig, dass gerade wir Weißwestler, hauptsächlich gerichtet an die Männer, betrifft aber auch uns ·innen und allgemein aufoktroyiertes Gedankengut, all dem Leid in der Welt ausgesetzt werden. Und meine Güte, wird einem auf dieser documenta anständig die Nase in den herrschenden Sud der Welt gerieben.

Befreiend charmant waren die Robo-Skelette und ähnlichen Genoss·innen in St. Kunigundis – hier gibt es definitiv mehr Grotesken als dieses Jahr in Venedig – von Atis Rezistans Kolektif: Ghetto Biennale:




Andre Eugene, Evel Romain, Wilerme Tegenis: Papa Legba. Car chassis, chains, recycled metal, 2022.


Evel Romain: Danballa (02). 87x10x15in, wood, tire, metal, rope, 2010.


Ebd.: Bosou (The Bull). 43x13x11in, wood, tire, metal, rope, 2011.


Ebd.: Danballa (01). Detail, 77x12x15in, wood, metal, rope, 2013.


Ebd.: Kafou (Crossroads). 55x12x12in, wood, tire, metal, rope, 2011.


André Eugène: Jij bosou (Judge Bosou). Book, tires, metal, chair legs, 2006.


Papa Da: Badji Pou Zanmi Mouri. Various, 2022.


Ebd.


Ebd.


Henrike Naumann und Bastian Hagedorn: The Museum of Trance. 270x350x120cm, furniture pieces, CD-stands, organ pipes, sound system, sound composition, 2022.


Studio Verve Architects Vivian Chan, Martina Vanin: The Floating Ghetto. 10.3x10.7m, cardboard boxes, metal mesh, metal supports, cables, based on research by Ghetto Architects (Viv Chan, Maccha Kasparian and Yuk Yee Phang) at the 2011 Ghetto Biennale.

In der Hafenstraße 76:


Resting Ramp: Reflecting Point 5 am Hafen 76. Architects: Matz Foitzik, Martin Frobel-Akar – foundation 5+ architekten BDA, greening: Solawi Gärtnerei Fuldaaue.


Anwar Al Atrash, *foundationClass*collective: Red Carpet. Roter Teppich, Akryl, Digitaldrucke, 8:00 Min. Audio, 2018–22.


Ali Kaaf und Khaled Muzher, *foundationClass*collective: Those swept away by the waters / rose up as clouds. Filmstill, Videoinstallation, Loop, Glas, Stoff, Holz, 2022.


Nino Bulling: A break. Tusche auf Seide, 2022.
Ebd.: Sometimes when we kiss, it feels like I am drinking water from your mouth. Tusche auf Seide, 2022.


*foundationClass*collective: Becoming. Tintenstrahldruck auf Stoff, 2022.
„Toolkit für machtkritische Projektverwaltung“, super, s. hier.


Marwa Arsanios: Chart for the usership of the land. Banner, Drucke auf Kunstdruckpapier, 2022.
Text: „The land shall only be used for agricultural purposes / The land shall only be used by people who do not own a land / The land shall only be passed on for usership / The land shall be transformed into a social Waqf or a Mashaa / The land shall not be inherited“.
Dazu lief der Film: Who is Afraid of Ideology? Part 4 Reverse Shot. Einkanal-Videoinstallation, 35:00 Min., Loop, 2022.


Ebd.
Text: „The land shall only be tended following permaculture processes / The surplus produce can be solt and the benefits divided between the users / The produce should be devided equally amongst the community who work the land / The land shall be tended by the cooperative of people who live around it in agreement with each other / The land shall not be built“.


Cao Minghao und Chen Jianjun: Water System School. Mixed Media, Workshop, 2022.
Text: „Onkel schwarz-halsiger Kranich / Lache / Sei zufrieden / Habe Spaß / Amüsiere dich / Verbeuge dich dreimal / Nächstes Jahr, wenn du aus dem Süden zurückkehrst / bring mir bitte eine Handvoll Korallen mit / Und ich gebe dir eine Handvoll Ginseng / –– Lied für die schwarz-halsigen Kraniche“.


Ebd.: Grain-size distribution analysis. Blätter, 2021–22.


Ebd.: (Links) Water System Refuge #1. Fotopapier, 2019–20.
(Rechts) Water System Museum. Fotopapier, 2015–18.
Ach, jetzt verstehe ich das linke Werk erst, ich hatte es 2018 beim Dujiangyan Bewässerungssystem 都江堰 in der Nähe von Chengdu gesehen. Dort hieß es allerdings, es wäre aus einem Aufruf für zeitgenössische Kunstwerke 2015 entstanden, zumindest muss es vor meinem Besuch 2018 gewesen sein.


Ebd.: A distribution map (Hand-copied late Qing dynasty). Papier, 2022.


Ebd.: The network of the “Water System″ project. Papier, 2022.


Ebd.: Habitat, Geology and Energy Basis. Einkanal-Videoinstallation, 15:29 Min., 2021.


Sorry, habe keine Angaben gefunden.


Cinema Caravan und Takashi Kuribayashi: we have decided to die – we have decided not to die. Fotografie auf … aber es ging mir hier eigentlich um das grandiose: Washi-Papier, 2021.


Fehras Publishing Practices: Borrowed Faces. 2022.


archive of the unknown – Baalbeck Studios Beirut: prints with quotations of the collective working process.


Aufreibende Gespräche | Frictional Conversations. 2001–2021.
Mit: Ali al-Ali, Ahmad al-Khalil, Mela Dávila Freire, yasemine eid-sabbagh, Ahmed El-Faour, Ahmed El-Joumaa, Yasser Ibrahim, Khawla Khalaf, Siwar Kraytem, Ben Pelé, Wasim Said, Fatmeh Soleiman, Nailé Sosa Aragón, Maya Zebdawi.
Hier: burning potatoes for land and sexual liberation.
Text: „potatoes, chili, coriander, garlic / This ‘dematerializing transformation′ process, which at the same time formed new sets of images, created a situation in which responsibilities were transferred, potentialities unleashed, and provided the images and other material with a new kind of presence where past collides with present and future alike, creating a moment that almost transcends time and space altogether.“


Ebd.: watermelon.
Text: „In different moments of palestinian history, holding a slice of fresh water melon was considered an act of protest.“


Ebd.: smoked photographs. coffee.
Text: „smoked photographs / eggplants, tahini, garlic, lemon, olive oil / The only reference to time and space in the photograph is a poster on the wall. It shows a martyr. His name is barely visible under his portrait.“; „ coffee / It‘s about not having any kind of ‘break′ within which to begin again, detour something, or mark openings and closures. The chronic can thus name the state of being which is called in the United States a ‘frog in boiling water,′ where the intensity of something increases so gradually that you do not notice, whereas if it began at the boiling level you would call it a trauma or a crisis. There is something horrifying about the adage that one can get used to anything …“


Karlsaue.


Más Arte Más Acción (MAMA): Whispers of the Bark Beetles. Mehrkanal Soundscape, 180:00 Min., Loop, Holz, Sound, 2022.
Im Gewächshaus | Greenhouse, Karlsaue.

Dann ging es zum Komposthaufen. Da hatte ich mir gar nichts von erwartet bzw. halt einen Komposthaufen, und dann war es mit das Schönste der gesamten Schose. Eigentlich geht es hier um die Publikation The Book of The Ten Thousand Things, El Book Wei 2022, und leider habe ich keinen Titel des oh, so wundervollen Baumbanners gefunden.


La Intermundial Holobiente.
Mit der Künstlerin Claudia Fontes, der Philosophin Paula Fleisner und dem Schriftsteller Pablo M. Ruiz aus Buenos Aires.
Am Komposthaufen | Compost heap, Karlsaue.


La Intermundial Holobiente: Device QK22.
QK22 ist ein Druckverfahren, man lege einfach auf ein saugfähiges Blatt Papier ein Blatt, eine Blüte, hier wurden auch Käfer genommen, aber das muss ja nicht sein, dann eine Glasplatte darauf und lasse sie ein paar Stunden in der Sonne.

Die Drucktechnik ist so simpel so gut, aber dieses Banner!, seht selbst:









Hach, es ist schon auch schön, wenn Kunst nicht nur anklagt …

Weiter ging es gen Orangerie:


The Nest Collective: Return To Sender. Textile waste, electronic waste, video, 2022.


Ebd.


Cao Minghao und Chen Jianjun: Water System Refuge: Grass, Sand, and Global Environmental Apparatuses. Single-channel video installation, 19:14 min., loop, 2022.

Andere Orte in der Stadt:


Hotel Hessenland.


Ebd.: MADEYOULOOK. Klanginstallation.


FAFSWAG: Whānau Wall (Landscape). Photo print, n. d.
Participants: Vaimaila Baker, Steve Canals, Falencie Filipo, Tapuaki Helu, Elyssia Wilson-Heti, Ria Hiroki, Nahora Ioane, Ilalio Loau, Moe Laga, Māhia Te Kore, Khiyara Tinai, Pati Solomona Tyrell, Auckland Vogue Community, Jaimie Waititi.
Im Stadtmuseum Kassel.


Ebd.


Nhà Sàn Collective: Bến.
Nguyễn Phương Linh, Trương Quế Chi: A Mangrove Apple Tree. Detail, acrylic mirrors, wooden stairs, printed wallpaper, motor and bamboo stick, various children‘s toys: the wooden horse, the balance board, the balance seesaw, the ceramic pots with plants from the Vietnamese Immigrating Garden of Tuấn Mami, 2022.
Im Stadtmuseum Kassel.


Tanu Gago und Mahia Jermaine Dean, FAFSWAG: ATUA. Interactive AR sculpture, 4:00 min., loop, 2022.
Im Hessischen Landesmuseum, nett gedacht, aber leider nur kitschig. Der riesige Vorhang aus Papiertaschentüchern von Pınar Öğrenci, FAFSWAG: „Aşît“, 2022, war sehr schön.


ruangrupa: lumbung Film.
Im Gloria Kino hatte ich 2012 grandiose Filme und Dokumentationen gesehen. Von dem lumbung Film hatte ich mir mehr in netten visuellen Häppchen zusammengeschnittene Informationen über Hintergrund, Projekte, Ansichten, Einsichten, Ausblicke zu lumbung erwartet. Es handelte sich aber um eine Zusammenstellung verschiedener Kurzfilme, die großteils leider nicht überzeugten.


Dan Perjovschi: Horizontal Newspaper. 2022.
Text: „You scare me man / Militarysation/-saturation“.
Auf dem Rainer-Dierichs-Platz.


Ebd.
Text: „Flat White / Westplaning / This did not survive second look“.


Ebd.
Text: „Sol / Solid / ID / Solidarity“.


Mohammed Al Hawajri: Guarnica Gaza: Above City – Marc Chagall (1924). Print, 2010–13.
In WH22.


Ebd.: (Oben) Guarnica Gaza: Pause for a Nap – Jean Francois Millet (1865). Print, 2010–13.
(Unten) Guarnica Gaza: Harvesters Resting – Jean Francois Millet (1859). Print, 2010–13.


Ebd.: Guarnica Gaza: Liberty Leading the People – Eugene Delacroix (1830). Print, 2010–13.


Am Trafohaus.


Alice Yard, Toof Press: Toofprints. Digital print on paper, wheat paste, 2016– ongoing.


Am Lutherplatz.


Polizeiaufgebot auf dem Weg zum Königsplatz, ich habe etwa fünfzehn Minnas gezählt. Wem galt der Aufzug, dem Antisemitismus, dem Anti-Antisemitismus, wurden gar Theorien gesponnen, dass sich zwar ruangrupa friedlich gebe, aber ihr Aktionismus wer weiß welche unterjochten Kräfte des globalen Südens oder auch des hiesigen Prekariats wecken würde?


Art Attac: Compassion Is Not Enough!
Aktion für ein veganes Leben am Königsplatz.


Taring Padi.
C&A Fassade am Friedrichsplatz.


„Contemporary art has become outdated. The Floraissance has begun!“

Dann wurde einen Spaziergang angeboten, dem man durch die Stadt folgen konnte, genannt: A Landscape: Local Knowledge Kassel East: An Urban Trail. S. Tour Map. Dafür ging es vorbei an Schrebergärten, einer Solawi Gärtnerei, der Schwanenwiese und allgemein um Interventionen mit der Umgebung, um Selbstversorgung und vielleicht auch darum, den betonenen Eindruck der Stadt zu revidieren.


Taring Padi. O. A.
In einer Unterführung beim sonst sehr ungemütlichen Platz der Deutschen Einheit. Diese hier und andernorts präsentierten Holzschnittdrucke gefielen mir sehr. Sie erinnerten mich an Lu Xuns Holzschnittbewegung Ende der 1920er Jahren in China, die auf Käthe Kollwitzs Arbeiten Bezug nehmen und häufig Alltagsszenen der ärmeren Schichten darstellen, um eine breitere Bevölkerung zu erreichen und ihre Themen anzusprechen. Das Medium scheint also weiterhin aktuell zum Aufzeigen von Protest.
Auf dem Weg des urbanen Parcours, aber dort aus unerfindlichen Gründen nicht aufgenommen. Doch wer die anderen Arbeiten von Taring Padi gesehen hat, weiß, dass sie von diesem Kollektiv stammen.


Ebd.






Monument für Lucius Burckhardt. Flugzeugtreppe beim Selbsterntegarten Waldauer Wiese in der Fuldaaue, einem wunderbar idyllisch anmutenden Modellprojekt.




Beim Ahoi Bootsanleger.


Chang En-Man: Floating System for Snails. Mit: Han Fang Wang, Shueh Ching Lu, Ting Tsou.


Ebd.



Nicht zum Spaziergang gehörend, aber weiter in der Stadt unterwegs:


(Rechts unten) Black Quantum Futurism: Clepsydra Stage. Floating stage, 2022.
Im Hintergrund säumt die Anfang September bereits braune, trauernde Baumreihe die Uferpromenade.


Ebd.


Taring Padi: Pengungsi (Refugees). Acrylic on canvas, 1999.


Ebd., Detail mit Taube.
Ich gehe stark von einem Nachdruck aus, das Werk selbst hängt man eher nicht in hundert Wettertage.

Auf dem Weg zu dieser Leinwand ging es über die neuernannte Walter-Lübcke-Brücke:


Walter-Lübcke-Brücke.
Text: „Dr. Walter Lübcke, 1953–2019 / Kasseler Regierungspräsident 2009–2019 / Opfer eines politischen Attentats am 2. Juni 2019“.
Doch warum steht dort nicht wenigstens „eines rechtsradikalen politischen Attentats“?


Kazuo Katase: Blue Dancer. Lichtinstallation, 2003.
Auf der Lübcke-Brücke.


Nguyễn Trinh Thi: And They Die a Natural Death. Automatisierte Installation in Echtzeit, Bambusflöten, Chilipflanzen, Luftkompressor, LED-Leuchten, codegenerierte Steuerungen (Rondell), Windsensoren (Tam Đảo, Vietnam), 2022.
In dem Turm links neben der Brücke, rechts von der Taring Padi-Leinwand (aus Bild- und Gangperspektive). Da ohne Kontext hier vieles nicht verständlich ist: Die Arbeit „ist inszeniert von einer Szene, in der Gefangene in einem wilden Chili-Wald [außerhalb eines Gefangenenlagers in Nordvietnam in den 1960ern] erschossen werden, wie sie in dem autobiografischen Roman Tale Told in the Year 2000 des vietnamesischen Schriftstellers Bùi Ngọc Tấn (1934–2014) beschrieben wird.“, s. hier.

Im eindrucksvollen Museum für Sepulkralkultur, musste ich mich leider sputen. Von der documenta wurden hier zahlreiche Textbausteine platziert, dazu, wie auch an anderen Orten, Audioversionen.

Dazu eine Anmerkung: Es gab allgemein unglaublich viel Text, von kurzen Phrasen bis zu langen Pamphleten sah man sich nicht nur, aber sehr vielen Ausrufen entgegen. So wie mich Videos in Ausstellungen schwer zu halten vermögen, geht es mir dort normalerweise auch mit Text. Titel lese ich natürlich und freue mich über geglückte, dazu lese ich Grundüberlegungen und die eine oder andere Beschreibung, wenn mich das Werk anspricht, eigentlich komme ich aber für Visualisierungen. Die textliche Umsetzung hier hat mich sehr begeistert, von all den Fragmenten wurde man so maßlos überschüttet, dass man gar nicht alles lesen konnte und dadurch von einem möglichen Lesezwang befreit war. Dazu gab es gelegentlich Audioschnitte, die genau dieses Gefühl hör- und fühlbar werden ließen, etwa in den Unterführungen und hier im Museum für Sepulkralkultur, die verschiedenste Stimmen durch- und übereinander erzählen und damit zu einer Gemengelage werden ließen. Man konnte immer wieder einzelne Versatzstücke oder unterschiedliche Sprachen herausgreifen und fand sich sofort erneut im Rausch der vielen und innerhalb einer Massenwahrnehmung. Ich empfand das als bewegend und einnehmend, so ähnlich stelle ich mir Sirenengesang vor.


Transi-Statuette. Replik nach Hans Leinberger (ca. 1470–1530), Holz (Linde), um 1520.
Dieser Transi (ein verwesender Leichnam) gehörte zur permanenten Ausstellung und stand unten im Gewölbe.
Im Museum für Sepulkralkultur.

Richtig gut ist es besonders hinter dem Museum, man muss sich ein wenig zurechtsuchen, aber unter einer Auffahrt mit autobahnähnlichen Brückenpfeilern stehen alte, wie abgestellt wirkende Grabstehlen aufgereiht. In der Nähe ist ein Friedhof, deshalb auch das sepulkrale (zum Grabe gehörige, also mit Tod, Sterben, Bestattungen befasste) Museum.

Gleich nebenan ist allein der 2015 eröffnete Neubau der Grimmwelt Kassel einen Besuch wert, vor allem das Dach, aber auch das Restaurant hinten:





Von der documenta lief hier:


Versia Harris: They Say You Can Dream a Thing More Than Once. Filmstill, digital animation, 16:15 min., loop, 2013 (re-edited). View a sequence here.


Das große Exzerpieren beginnt. Ohne weitere Angaben, ab 1838.
Dieser und ähnliche von hinten beleuchteten Schaukästen gehören zur ständigen Ausstellung. Sie war teilweise auch auf Kinder ausgerichtet, aber weil Grimms Märchen ja nicht nur heile Welten zeigen, gibt es glücklicherweise nicht nur diese fadenscheinigen. Allerdings war ich am Anfang des Kasseltripps bei Grimm und hätte am Ende wohl auch nichts gegen ein wenig heile Welt gehabt.

Die Neue Galerie zeigte im Keller Arnold Bode Unframed: Malerei und Graphik des documenta Gründers, 3.6.–9.10.2022:


Selbstporträt. Holzschnitt, 1919–20.


Auszug aus den Plänen für ein „Kasseler Forum“, um 1975.

Außerdem zeigt die Neue Galerie die sehr sehenswerte Dauerausstellung about: documenta, kuratiert von: Dorothee Gerkens, Martin Groh und Harald Kimpel, 22.11.2019–23.11.2025:


Gerhard Richter: Portrait Arnold Bode. Oil on canvas, 1964.

Hier wird man durch die Jahrzehnte geführt, mit einer Bildleiste wichtiger politischer, gesellschaftlicher und technischer Ereignisse rechts von einem, während sich die einzelnen Boxen mit Beschreibungen, Statements und vereinzelten Werken links zu den jeweiligen documenta-Ausstellungen öffnen. Die anlässlich der Ausstellung veröffentliche Publikation ist ganz hilfreich: about: documenta: Ausstellung in der Neuen Galerie. Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK): Schnell und Steiner 2022. Noch besser hätte ich allerdings einen Band mit der Bildleiste gefunden.





Auch nützlich, die Documenta-Datenbank: documenta archiv.

Derweil läuft im Münchener Lenbachhaus: Was von 100 Tagen übrig blieb …: Die documenta und das Lenbachhaus, 19.7.2022–21.5.2023.

Ein paar ausgewählte Pressestimmen:

Auf monopol-magazin.de von Alia Lübben: Internationale Presseschau: Was das Ausland über die Documenta denkt, vom 9.8.2022.

Auf 99艺术网 fragt Li Zhenhua unter dem Motto „How art you today“: 李振华:卡塞尔的展览有你吗? [Bist du in der Ausstellung in Kassel vertreten?], vom 4.7.2022. Dort zu Chang En-Man 张恩满, ursprünglich aus Taiwan, zum Kollektiv Cao Minghao und Chen Jianjun 曹明浩和陈建军 aus Chengdu, zum Kunstraum BOLOHO 菠萝核 aus Guangzhou und zum Asia Art Archive 香港亚洲艺术文献库 aus Hongkong.

Auf geschichte der gegenwart von A. Dirk Moses: Die documenta15, Indonesien und das Problem geschlossener Welten, vom 24.7.2022.

Auf new mandala von Wulan Dirgantoro und Elly Kent: We need to talk! Art, offence and politics in Documenta 15, vom 29.6.2022.


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S. a. documenta 13, 2012.


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