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Freitag, 12. November 2021
Hamburg: Unterwegs 2021
youjia, 19:51h
Was treibt man eigentlich so, wenn man hinaus möchte und sich weiterhin ein wenig im Sozialisierungsschockzustand suhlt?
Freiluftmusik
Musik ist nicht so mein Ding, aber die Ankündigung von Freiluftmusik, besonders die eines Orchesters auf einer Hochhaussiedlung hörte sich interessant an. Einen schönen Titel gab es dazu, es spielten die Dresdner Sinfoniker: Himmel über Hamburg, organisiert von Kampnagel und der Elbphilharmonie, auf den Hochhäusern in der Lenzsiedlung, Eimsbüttel, 17.7.2021.
Es war beeindruckend, was ein Aufwand getrieben wurde, kilometerlange Kabeltrassen wanden sich die Plattenbauten hoch, jedem Musiker standen Rigger und sonst nicht welche Schutzmaßnahmen zur Verfügung. Das Ganze fand auf dem wiederum verkabelten Sportplatz davor statt – der mit Granulat unterfütterte Plastikrasen tat schon vom Hinsehen weh, hier kann man sich als Siedlungskind nur schreiende Knieverbrennungen abholen, dass so etwas noch erlaubt ist? Musikalisch kann ich nur mit Laienunverständnis herangehen. Tatsächlich war es wohl egal, dass über einem gespielt wurde. Alle Töne liefen über je Musiker⋅in ein Mikro in ein Mischpult, das diese aufeinander abgestimmt in die unten aufgestellten Boxen übertrug. Das fand ich doch etwas schade. Natürlich ist jeder Ton je nach Entfernung unterschiedlich lang und je nach Windrichtung unterschiedlich wirr unterwegs, Gleichzeitigkeit würde ein Chaos verursachen. Ich hatte mir dennoch eher etwas wie ein Gipfelduett mit Ansprache, Hall, Horchen, Antwort vorgestellt. Gut gefallen haben mir die chinesischen Trommler⋅innen auf dem Sportplatz, die ebenfalls in ihre Mikros wummerten, aber deren Echos zusätzlich von den Platten zu einem herüberschwangen. Die wohl für das Berggefühl gewählten Alphörner versuchten ähnliches, einige unten auf dem Platz, andere oben auf den Häusern. Ich muss gestehen, dass ich zuvor noch keine Alphörner gehört hatte. Schon merkwürdig, klangen die nur in meinen Ohren wie Sirenen, so wie ich mir die Fabelwesengeräusche vorstelle, oder teils wie Unterwassertiere, wie diffuse Wahlklänge? Definitiv nicht so meins. Auch die sonst ausgewählten Stücke waren für meinen Geschmack etwas grotesk ausgewählt, ich würde sie als barocke Marschmusik bezeichnen, aber wie gesagt, ich habe keine Ahnung von Musik. Immerhin stimmte das Wetter.
Freiluftkino
Freiluft ist schon eine gute Corona-Maßnahme. Wie letztes Jahr fanden auch in diesem Openair-Kinoschauen statt, etwa das OpenAir Kino, veranstaltet vom Filmraum, im Stadtpark Eimsbüttel, 1.7.–4.9.2021, oder die Filmnächte, vom 3001, im Schanzenpark, 9.–25.7.2021.
Auf Alles ist eins. Außer der 0., der Doku über den CCC, hatte ich mich sehr gefreut. Ich weiß es nicht, vielleicht lag es an der langen Kulturpause, vielleicht waren meine Erwartungen dadurch übermäßig überhöht. Dachte ich doch, auch alle anderen hätten so lange nichts zeigen wie ich sehen können. Und weiß ich doch gleichzeitig, dass es immer nur gelegentliche Perlen zu entdecken gibt (auch wenn ich an objektive Kunstwertigkeit glaube, meinetwegen gerne mit subjektiven Tendenzen). Diesen Film empfand ich wie die Himmelsklänge über den Platten leider als eher enttäuschend. Klar, es gab den einen oder anderen Lacher, einige neue Informationen, der Film war auch ganz gut zusammengeschnitten mit altem Doku- und aktuellem Interviewmaterial, die Katze durchs Bild als Schrödingers, meinetwegen. Aber mir war er zu langatmig und mit Vanessa stimme ich überein, dass sich die Regisseure ruhig auf die Anfänge hätten beschränken können. Die Jahre nach 2000 wurden am Ende auf die Schnelle abgehakt, noch kurz dazugepresst und dadurch vielmehr marginalisiert. Ein zweiter Teil wäre auch in Ordnung gewesen, der Fokus auf Gründungslegende Wau Holland hätte nach seinem Tod 2001 gut enden können. Außerdem war es wahrlich gruselig zu sehen, wie wenig Frauen auftauchten. Ich erinnere mich nur noch an die fraglos großartige Constanze Kurz, aber das kann doch nicht alles sein.
Nostalgie: Blaues Wunder
Die Cremonbrücke, auch „das blaue Wunder“ genannt, über die Willy-Brandt-Straße, ganz in der Nähe des chinesischen Visa-Servicebüros, wurde inzwischen (Ende Oktober 2021) abgerissen. Im Endeffekt stand sie neuen Immobilien im Wege, die Barrierefreiheit mit ständig defekten, wartungsintensiven Außenrolltreppen musste als Argument herhalten. Ich mochte sie.
HafenCity
Joiri Minaya: Die Verhüllung. Intervention an der Kornhausbrücke beim Zollkanal gen HafenCity, 4.6.–30.9.2021.
Auf den Brückenpfeilern sind normalerweise die Statuen von Kolumbus und Vasco da Gama zu sehen. Für das Stadtentwicklungsprojekts „Imagine the City“ wurden im Sommer 2021 16 Künstler⋅innen eingeladen.
Jungfernstieg: U1
Noch frisch und neu blinkt es, von chinesischen Restaurants wissen wir, dass Spiegel an den Wänden besonders gerne schmale Räume optisch vergrößern. Das Design stammt von WRS, ich finde es für die Ecke Hamburgs passend. Ob das empfindliche Schwarz und Weiß die beste Wahl sind, mag im nächsten Jahr bewertet werden. Achja, und der Jungfernstieg wurde/ wird ja auch neugestaltet, attraktiver, autofrei, die Perspektiven gehen auseinander – mir gefällt es radelnd.
Ewig schon möchte ich nach Moskau, um mir dort die alten U-Bahnstationen anzusehen. Irgendwann einmal.
Prismatischer Blick: Alter Wall
Zu Olafur Eliasson habe ich ein sehr gespaltenes Verhältnis. Sein physikalischer Ansatz der Arbeiten etwa in seiner Ausstellung 2018 im Red Brick Art Museum 红砖美术馆 ist umwerfend. Dann wieder gibt es Lächerlichkeiten bis Monstrositäten von Pseudo-Gutmenschentum wie seine Show in der Fondation Beyerler, die Farbe in Wasser kippen, um – ist richtig – auf Verschmutzung aufmerksam machen zu wollen, oder wie seine Little Sun-Solarlampen, die Afrika mit Plastikschrott zumüllen. Naja, auf jeden Fall hat ihm der Alte Wall in Hamburg bestimmt einiges mehr in die Kassen gespült für seinen sogenannten „Gesellschaftsspiegel“. Die angedeutete Gesellschaftskritik im Titel kann man sich getrost schenken, da kann ich ihn tatsächlich nicht ernstnehmen. In die beiden Säulen, eine vorne am Rathausmarkt Nähe Bucerius Kunst Forum, eine hinten weiter die Straße hoch, kann man trotzdem einmal hochschauen.
Tags für diesen Beitrag 这本文章的标签: Hamburg 汉堡, Unterwegs 路上, Architektur 建筑, Film 电影, Musik 音乐, Gegenwart 当代
Freiluftmusik
Musik ist nicht so mein Ding, aber die Ankündigung von Freiluftmusik, besonders die eines Orchesters auf einer Hochhaussiedlung hörte sich interessant an. Einen schönen Titel gab es dazu, es spielten die Dresdner Sinfoniker: Himmel über Hamburg, organisiert von Kampnagel und der Elbphilharmonie, auf den Hochhäusern in der Lenzsiedlung, Eimsbüttel, 17.7.2021.
Es war beeindruckend, was ein Aufwand getrieben wurde, kilometerlange Kabeltrassen wanden sich die Plattenbauten hoch, jedem Musiker standen Rigger und sonst nicht welche Schutzmaßnahmen zur Verfügung. Das Ganze fand auf dem wiederum verkabelten Sportplatz davor statt – der mit Granulat unterfütterte Plastikrasen tat schon vom Hinsehen weh, hier kann man sich als Siedlungskind nur schreiende Knieverbrennungen abholen, dass so etwas noch erlaubt ist? Musikalisch kann ich nur mit Laienunverständnis herangehen. Tatsächlich war es wohl egal, dass über einem gespielt wurde. Alle Töne liefen über je Musiker⋅in ein Mikro in ein Mischpult, das diese aufeinander abgestimmt in die unten aufgestellten Boxen übertrug. Das fand ich doch etwas schade. Natürlich ist jeder Ton je nach Entfernung unterschiedlich lang und je nach Windrichtung unterschiedlich wirr unterwegs, Gleichzeitigkeit würde ein Chaos verursachen. Ich hatte mir dennoch eher etwas wie ein Gipfelduett mit Ansprache, Hall, Horchen, Antwort vorgestellt. Gut gefallen haben mir die chinesischen Trommler⋅innen auf dem Sportplatz, die ebenfalls in ihre Mikros wummerten, aber deren Echos zusätzlich von den Platten zu einem herüberschwangen. Die wohl für das Berggefühl gewählten Alphörner versuchten ähnliches, einige unten auf dem Platz, andere oben auf den Häusern. Ich muss gestehen, dass ich zuvor noch keine Alphörner gehört hatte. Schon merkwürdig, klangen die nur in meinen Ohren wie Sirenen, so wie ich mir die Fabelwesengeräusche vorstelle, oder teils wie Unterwassertiere, wie diffuse Wahlklänge? Definitiv nicht so meins. Auch die sonst ausgewählten Stücke waren für meinen Geschmack etwas grotesk ausgewählt, ich würde sie als barocke Marschmusik bezeichnen, aber wie gesagt, ich habe keine Ahnung von Musik. Immerhin stimmte das Wetter.
Freiluftkino
Freiluft ist schon eine gute Corona-Maßnahme. Wie letztes Jahr fanden auch in diesem Openair-Kinoschauen statt, etwa das OpenAir Kino, veranstaltet vom Filmraum, im Stadtpark Eimsbüttel, 1.7.–4.9.2021, oder die Filmnächte, vom 3001, im Schanzenpark, 9.–25.7.2021.
Auf Alles ist eins. Außer der 0., der Doku über den CCC, hatte ich mich sehr gefreut. Ich weiß es nicht, vielleicht lag es an der langen Kulturpause, vielleicht waren meine Erwartungen dadurch übermäßig überhöht. Dachte ich doch, auch alle anderen hätten so lange nichts zeigen wie ich sehen können. Und weiß ich doch gleichzeitig, dass es immer nur gelegentliche Perlen zu entdecken gibt (auch wenn ich an objektive Kunstwertigkeit glaube, meinetwegen gerne mit subjektiven Tendenzen). Diesen Film empfand ich wie die Himmelsklänge über den Platten leider als eher enttäuschend. Klar, es gab den einen oder anderen Lacher, einige neue Informationen, der Film war auch ganz gut zusammengeschnitten mit altem Doku- und aktuellem Interviewmaterial, die Katze durchs Bild als Schrödingers, meinetwegen. Aber mir war er zu langatmig und mit Vanessa stimme ich überein, dass sich die Regisseure ruhig auf die Anfänge hätten beschränken können. Die Jahre nach 2000 wurden am Ende auf die Schnelle abgehakt, noch kurz dazugepresst und dadurch vielmehr marginalisiert. Ein zweiter Teil wäre auch in Ordnung gewesen, der Fokus auf Gründungslegende Wau Holland hätte nach seinem Tod 2001 gut enden können. Außerdem war es wahrlich gruselig zu sehen, wie wenig Frauen auftauchten. Ich erinnere mich nur noch an die fraglos großartige Constanze Kurz, aber das kann doch nicht alles sein.
Nostalgie: Blaues Wunder
Die Cremonbrücke, auch „das blaue Wunder“ genannt, über die Willy-Brandt-Straße, ganz in der Nähe des chinesischen Visa-Servicebüros, wurde inzwischen (Ende Oktober 2021) abgerissen. Im Endeffekt stand sie neuen Immobilien im Wege, die Barrierefreiheit mit ständig defekten, wartungsintensiven Außenrolltreppen musste als Argument herhalten. Ich mochte sie.
HafenCity
Joiri Minaya: Die Verhüllung. Intervention an der Kornhausbrücke beim Zollkanal gen HafenCity, 4.6.–30.9.2021.
Auf den Brückenpfeilern sind normalerweise die Statuen von Kolumbus und Vasco da Gama zu sehen. Für das Stadtentwicklungsprojekts „Imagine the City“ wurden im Sommer 2021 16 Künstler⋅innen eingeladen.
Jungfernstieg: U1
Noch frisch und neu blinkt es, von chinesischen Restaurants wissen wir, dass Spiegel an den Wänden besonders gerne schmale Räume optisch vergrößern. Das Design stammt von WRS, ich finde es für die Ecke Hamburgs passend. Ob das empfindliche Schwarz und Weiß die beste Wahl sind, mag im nächsten Jahr bewertet werden. Achja, und der Jungfernstieg wurde/ wird ja auch neugestaltet, attraktiver, autofrei, die Perspektiven gehen auseinander – mir gefällt es radelnd.
Ewig schon möchte ich nach Moskau, um mir dort die alten U-Bahnstationen anzusehen. Irgendwann einmal.
Prismatischer Blick: Alter Wall
Zu Olafur Eliasson habe ich ein sehr gespaltenes Verhältnis. Sein physikalischer Ansatz der Arbeiten etwa in seiner Ausstellung 2018 im Red Brick Art Museum 红砖美术馆 ist umwerfend. Dann wieder gibt es Lächerlichkeiten bis Monstrositäten von Pseudo-Gutmenschentum wie seine Show in der Fondation Beyerler, die Farbe in Wasser kippen, um – ist richtig – auf Verschmutzung aufmerksam machen zu wollen, oder wie seine Little Sun-Solarlampen, die Afrika mit Plastikschrott zumüllen. Naja, auf jeden Fall hat ihm der Alte Wall in Hamburg bestimmt einiges mehr in die Kassen gespült für seinen sogenannten „Gesellschaftsspiegel“. Die angedeutete Gesellschaftskritik im Titel kann man sich getrost schenken, da kann ich ihn tatsächlich nicht ernstnehmen. In die beiden Säulen, eine vorne am Rathausmarkt Nähe Bucerius Kunst Forum, eine hinten weiter die Straße hoch, kann man trotzdem einmal hochschauen.
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