Sonntag, 31. Mai 2015
Sahnehäubchen in Beijing im Mai 2015

Xu Zhen 徐震: 天下——20130509 (etwa: Unter dem Himmel – 20130509). Öl auf Leinwand, 95x140cm, 2013.

Gewitzt. 天下, unter dem Himmel – an einem Tag, 20130509. Vom Poly Auktionshaus (Teil der Poly Group ist es das Christie's und Sotheby's für China, bekannt durch seinen Waffenhandel, Kunst ist inzwischen ebenfalls gutes Geschäft; gut hierzu Mark Siemons über den cn. Kunstmarkt, Sept. 2012) ist dieser Augenzuckerguss gelistet mit 520.000–700.000 RMB. Ein sehr passender Blick in unser Gewühl hier auf Erden. Extrem dick aufgetragen, aus der Spritzdose gepresst, in frohen Farben dekoriert, in Öl auf Leinwand des Sammlers liebster Wert – nach mittlerweile zwei Jahren einigermaßen durchgetrocknet? Wie gerne hätte ich testend meinen Finger hineingesteckt.

Ich bin ziemlich fasziniert von dem Ganzen. Es zeigt all die Ich weiß nicht wohin mit meinem Geld-Verschwendungssucht, geschmackvoll die Farbpalette eigentlich, doch durch das Übermaß so ungenießbar wie die Oberfläche undurchdringlich. Man würde drin ersticken, sollte man sich hineinzuwagen trauen. Deshalb bleibt man davor stehen und bekommt den Mund nicht zu oder möchte einen Happen ergattern.

Hier ein vergrößerter Ausschnitt, weil man es oben gar nicht richtig erkennen kann und einfach groß sehen muss:


Ebd., Detail.

Within Sight – Chinese New Painting at Post Financial Crisis Era 目光所及——后金融危机时代的中国新绘画 hieß die Ausstellung, 20–26-5-2015, im Poly Art Museum, s. hier. Interessanter Titel, so oder so pike ich ganz gerne vorbei, weil die Polyaner mittlerweile auf ordentlichen Schätzen sitzen und auch, weil ich mit Begeisterung zur Brücke in den 15. Stock fahre.





Nach der Krise ist im Angesicht der Preise nicht nur vor der Krise, sondern weit über sie hinausgehend. Immerhin finden sich in den Werken auch andere als nur materielle Werte. Natürlich weiterhin schedderig gehängt, in diesem Zusammenhang ein wunderbarer Text von Eva Lüdi Kong: Schiefe Bilder (Juni 2014, VPN notwendig). Oben, im von der gigantischen Sicht abgeriegelten Café, fanden wir ein passendes Beispiel, man muss seine Güter in dieser Drecksstadt halt irgendwie schützen …



Hier eine kleine Auswahl der Bilder. Ich setze die Polypreise dazu, weil ich den Katalog neben mir liegen habe und diese Übertreibungen so wahnwitzig wie interessant finde. Es sollte vielleicht angemerkt werden, dass nicht die Künstler diese Preise einheimsen, sondern, naja, Poly oder wie auch immer das bei denen eben läuft. Auswahl:


Liu Wei 刘韡: 对,这就是全部!(etwa: Genau, das ist alles!). Öl auf Leinwand, 180x250cm, 2009. Polypreis: 720.000–900.000 RMB.


Wang Guangle 王光乐: 寿漆 (etwa: Farbe langen Lebens). Öl auf Leinwand, 114x116cm, 2007. Polypreis: 800.000–1.200.000 RMB.


Cai Lei 蔡磊: 模棱2号 (etwa: Ambivalent Nr. 2). Acryl auf Leinwand, 170x120x22,5cm, 2009. Polypreis: leider nicht im Katalog aufgenommen, vielleicht verkauft, nur Leihgabe oder so.


Wang Yabin 王亚彬: 留影阁——松影道3 (etwa: Erinnerungsfoto im Pavillon – Schatten der Kiefer auf dem Weg 3). Öl auf Leinwand, 150x120cm, 2013. Polypreis: 300.000–400.000 RMB.


Sun Xun 孙逊: 魔术师堂1–20 (etwa: Halle des Illusionisten 1–20). Tusche auf Zeitungspapier, versch. Größen zw. 39/56–28/170cm, 2008. Polypreis: 240.000–320.000 RMB.


Liu Wei 刘韡: 紫气30033403 (etwa: Lila Wolke [glücksverheißendes Omen in der cn. Astrologie] 30033403). Öl auf Leinwand, 300x180cm, 2009. Polypreis: 1.800.000–2.500.000 RMB.


Qin Qi 秦琦: 比赛 (etwa: Wettkampf). Öl auf Leinwand, 180x250cm, 2004. Polypreis: 280.000–350.000 RMB.


Ma Ke 马轲: 马上封侯之五 (etwa: Auf der Stelle zum Fürsten erhoben werden [es geht um Karriereaufstieg, der Gleichklang vom Affen 猴 symbolisiert den Fürsten 侯], die Fünfte). Öl auf Leinwand, 150x200cm, 2006. Polypreis: 160.000–260.000 RMB.

Es hing auch einiges an miesen Arbeiten herum, die verkneife ich mir, aber wenigstens zwei Skurrilitäten möchte ich mit aufnehmen:


Song Yuanyuan 宋元元: 有画框的祝君成功 (etwa: Mit Bilderrahmen der Herrschaft zum Erfolg gratulieren). Öl auf Leinwand, Rahmen, 145x90cm, 2010. Polypreis: 80.000–120.000 RMB.
Der billigste Schinken, den ich im Katalog gefunden habe, fast ein Schnäppchen – zu direkt? Das ist aber auch eine Zusammenstellung, oben die sich überbietenden Rahmen, unten Gefledder …


Wang Yin 王音: 沙尘暴 (etwa: Sandsturm). Öl auf Leinwand, 180x290cm, 2000. Polypreis: 1.000.000–1.200.000 RMB.
Oben im Bild steht The Short Story, die ineinander verwickelten, fein gemalten traditionellen Kitschelemente mit der groben Resignation sind schon recht deutlich, auch wenn die Herstellung im Jahr 2000 sehr viel Weitsicht bzgl. der Finanzkrise einschließt – der ungewollt passend platzierte Notausgang-Hinweis unten drunter macht sich ebenfalls.

Soweit dazu.

Dann bin ich noch bei dem einen oder anderen vorbeigekommen.


Caochangdi

Bei Meile etwa läuft die sehenswerte Show von Cheng Ran 程然: In Course of the Miraculous 奇迹寻踪, 25-4–12-7-2015.


Scenario Hypotheses 1-6 关于场景的猜想和假设1-6. 2015.


Scenario Hypotheses 6 关于场景的猜想和假设6. 2015.


Filmausschnitt. 2015.


Filmstill, bearbeitet. 2015.


In den Red Bricks im Ink Studio 墨斋 Zheng Chongbin 郑重宾: Wall of Skies 层层天墙, 30-5–8-8-2015.








Die Intelligentsianer zeigen im Unicorn Space Living Elsewhere and Together 生活在别处&我想我们在一起, 30-5–6-7-2015.




Ying Space 应空间 Peter Le: News From Nowhere, 30-5–?-2015.




Im Telescope 望远镜 läuft Yu Honglei 尉洪磊: Sketch 速写, 30-5–26-7-2015.






In der ShanghArt Gallery 香格纳画廊 zeigt Wu Yiming 邬一名: Recent Works, 30-5–12-7-2015.


The Chrysanthemum 1 菊花1, 2015.


Heiqiao

Zwei Studiobesuche, erst bei dem einen, dann mit diesem zum anderen – im Style gewisse Ähnlichkeiten.


Lü Song 吕松 (rechts 左) und Feng Lianghong 冯良鸿 (links 右).

Lü Song 吕松:








Feng Lianghong 冯良鸿:








Und wieder ein neuer Mini-Space in Heiqiao: Unit One Gallery 一单元画廊 mit einer Show von Tony Trembath: Some Notes on the Naming of Mountains 为群山归类, 30-5–13-6-2015.






798

Ach, und natürlich die David Hockney-Ausstellung im Pace: The Arrival of Spring, 18-4–6-6-2015.



Wie hatte ich mich drauf gefreut. Ich glaube, der alte Herr will uns auf den Arm nehmen mit seinem iPad-Gekraksel. Ausnahmsweise wurde man einmal nicht wie sonst von den 43 Wachmännern beäugt und zurechtgewiesen, wenn man einen Fotoapparat bei sich hatte, sondern unter den Besuchern stellten sich die Mädels vor Hockneys Landschaften und die Jungs drückten sie per Auslöser hinein. 798-Jahrmarkt.


16 May, 2011.


Ebd., Detail.

Die Videowände mochte ich, trotz etlicher Ist doch nichts Neues-Stimmen.


Seven Yorkshire Landscapes. 2011.


Woldgate Woods, Winter. 2010.


Gut aber ist es gegenüber in der Gallery Yang, wo Zhang Xinjun 张新军 Folds 褶皱 zeigt, 25-4–7-6-2015.




Dann öffnet das Minsheng Art Museum Beijing auf der Nordseite vom 798 östlich neben dem Krankenhaus demnächst seine Tore. Ist ein massives Scheusal geworden und will auf die Dauer neben den Ausstellungssälen Designshops, Cafés und andere Kreativindustrien beherbergen. Am 13-6-2015 soll es eine erste Ausstellung geben. Was zeigt ihr?, fragte ich, Malerei, die Antwort, Wen denn?, Keine Ahnung, irgendwelche Bilder. Tja, so wirkt auch das Gebäude, ein neuer Ort zum Gruseln.








Hutongs

Im Institute for Provocation zeigte Julien Maire seine Ausstellung Step: Direction, 24–30-5-2015. Wunderschön und ruhig.







Im I: project space lief Esther Kokmeijers Reiseprojekt One Sheep is No Sheep, 23-5-2015, in dem sie ein Lämmchen aus China als Geschenk mit in die Mongolei geschmuggelt hat.





Und die Intelligentsia Gallery schloss gerade ihren 35-Tageszyklus Live at 活的 ab, 11-4–17-5-2015.


Patty Chang.

Derweil ich mit Alice in einem anderen Teil der Stadt an Mülleimern vorbeikomme …



… wird um den Trommelturm herum fleißig aufgerissen und der Ort in zivilisierte Fassaden mit Grünflächen umgewandelt. Zajia musste bereits weichen. Auch dazu allein schon wegen des Titels gut von Yan Jun: Drugs, Violence, Porno, Mafia, Anti-government, Anti-religion and Acid Mothers Temple (Mai 2015, gefunden von Longping).






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