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Donnerstag, 8. Januar 2015
16-1 bis 3-3-2015 in Düsseldorf: Out of the Fence
youjia, 19:09h
Von Beijing aus geht es weiter nach Düsseldorf! 从北京到杜塞尔多夫!
Künstler 艺术家
Zhang Xinjun 张新军, *1983 Zhengzhou/ Henan 河南郑州
Zhai Liang 翟倞, *1983 Houma/ Shanxi 山西侯马
He Jian 何健, *1980 Beijing 北京
Kuratiert von Stefanie Thiedig 由甲策展
Zeit und Ort 时间与地点
16. Januar 2015 bis 3. März 2015
Eröffnung: 16-Jan-2015, 19:00
Galerie Philine Cremer
Ackerstraße 23, Düsseldorf
Wir freuen uns auf Sie und euch!
Und so sieht er aus: Der Zustand der Zaunhandhabung
Zhang Xinjun 张新军
Possibilismus: Es war einmal ein Gebäudeskelett am Ende der Stadt, seit Jahren halb fertig, vielleicht war der Investor abgesprungen, man wusste es nicht so recht. Ein riesiger Baustellenzaun verlief außen entlang des Betongerippes. Dort schlenderte eines schönen Tages Xinjun herum und entdeckte, ob durch Zufall oder angelockt ist nicht überliefert, ein Schlupfloch. Er sah sich um, keine Menschenseele war zu entdecken und so kroch er hinein. Eine ganz eigene Welt eröffnete sich ihm. Ein ganzes Volk lebte hier unter eigenen Bedingungen, nicht unähnlich von den unsrigen, aber komplett abgeschirmt und selbstverwaltet. Vögel zwitscherten, Mauergrün hatte sich seinen Platz erobert und führte ein unberührtes Eigenleben so wie das kleine Volk sich selbst auch nicht im Weg zu stehen schien. Wenn ihr wissen wollt, was Xinjun dort gesehen hat, kommt in seinen Kokon und vergesst nicht eure Fantasie einzuschalten.
可能性:从前,有一具建筑的骨骸,长年地立在在城市的尽头。也许是投资商携款而去,人们无从知晓。一张巨大的建筑工地铁丝网将这座水泥骨架包围。在一个晴朗的日子,新军漫步到此——出于偶然或是被吸引前来不详——发现了这个庇护所。四周空无一人,他闯进这片工地,一个奇特的世界展现在他面前。一个庞大的族群生活在这特殊的境况中,这里与我们的社会并非全然不同,只是完全自立自制。小鸟在这里歌唱、野草在墙上扎根,这里的一切如此不受外界干扰,就像这里的居民一样,一切任凭自己的愿望。如果想知道新军在那儿看到了什么,那么请到他做的“茧”里坐一会儿,同时,一定不要忘了打开想象力的开关。
Zhai Liang 翟倞
Possibilismus: Man dreht sich im Kreis. Du sollst, du musst, du darfst, du kannst. Wir befinden uns in einem Konglomerat aus Erwartungen und Anforderungen. Die Welt ist gemacht, geschaffen, vorgegeben die Bewegung in ihr, die persönliche Entwicklung angelegt nach bestimmtem Muster. Das Selbst klopft an, verlangt danach, sich strecken zu können. Es will den Rahmen nicht gleich sprengen, darum geht es nicht, soll dieser sich doch um sich selbst kümmern. Aber wenn es zu eng wird, braucht man ein Schlupfloch, einen Ausweg. Die Unendlichkeit entwickelt ein Eigenleben, schert sich nicht um die mahnenden Zeigefinger und sucht nach persönlicher Freude. Im Ausfallschritt rechts um oder links befindet sie sich zwischen den Zeilen, aufrecht untertauchend wirbelt sie herum, zum Greifen nah. Lass dich von ihr führen, nimm sie selbst in die Hand. Wer mag, kann folgen. Wer besseres zu tun hat, soll er doch.
可能性:人们不停地画着一个圈。你应该、你必须、你允许、你可以。我们徘徊在期待和诉求之间。世界被塑造、被创造,充满了预设的运动。某种特定的模式左右着个体的发展。“自我”请求并渴望得到伸展,但目的并不是要去打破现有的一切条条框框,实际上,这些规则只要管好自己就好。但是,当外界的束缚过于紧迫的时候,我们需要一个庇护所、一条出路。于无穷尽中衍生出一个独立的生命,它不在乎说教式的劝告,找寻着属于自己的乐趣。这些乐趣左闪右避地隐藏在字里行间,自顾自地旋转着,近在咫尺。接受她的带领,将她握在手心。只要愿意,就可以跟随。若实在无暇,则尽管去忙。
He Jian 何健
Possibilismus: Ist die Suche nach einem Ausweg möglicherweise ein Irrweg? Dort ist ein Schild zum Notausgang, ein Glück. Ist dort ein Schild, wird man sich seiner Not gewahr oder sie stellt sich gar dadurch ein. Man fängt nicht an, die Not zu suchen, sondern den Ausgang aus ihr heraus. Eine Tür, mit mächtigem Sog zieht sie einen an, flugs hindurch, das wäre geschafft, weiter geht es, dort entlang, da ist das nächste Schild. Wir durchmessen die Räume, vermessen sie mit jedem Schritt, vermessen gehen wir auf die nächste Tür zu. Auf. Hindurch. Trepp auf, Trepp ab, noch voller Tatendrang, die Tat im Blick, alles andere wird nebensächlich. Nicht greifbar die Bedrohung hinter einem, doch sitzt sie einem im Nacken, man spürt sie doch. Oder etwa nicht? Lassen wir uns fangen von diesem Miniaturdasein im vielleicht sogar selbstgestrickten Labyrinth, ohnmächtig, undurchschaubar? Fühlt sich kafkaesk an? Gehen Sie ruhig weiter, bitte immer weiter …
可能性:对于出路的探寻过程是否可能反而误入歧途?那里有一个标明紧急出口的指示牌,多么幸运。这块指示牌能否使人意识到面临的困境?还是根本无所觉察?人们通常不会刻意寻找困境,而是突破困境的出口。具有强大吸力的一扇门,吸引着人们,穿过它,向前走,循着某种力量的指引,走到另一个牌子前。我们用每一个步伐测量着自身所在的空间,一边测量一边走到下一扇门前。往上攀爬,穿过去。上楼梯,下楼梯,仍然行动力满满,使命感驱使我们一路向前,目光坚定,其他的一切都不再重要。来自身后的威胁并不明确,但犹如芒刺在背,令人感受真切。或者不是这样?人们把自己囚禁在亲手编织的迷宫里,一个小小的模型里,无能为力,难以自拔?卡夫卡式的绝望?接着走吧,不论如何,请继续往前……
Hintergrund
Sicherheitszäune in BJ haben 2014 massiv zugenommen. Ständig gibt es neue vor jedermanns Haustür. Man fragte sich schon, ob man ein Zootier ist. Ob man inner- oder außerhalb der Gatter steckt. Dies war der Anlass, sich dem Thema Zäune anzunehmen.
Dann habe ich recherchiert, zunächst in westlichen Medien …
… nachdem ich mich durch seitenweise Angebote hauptsächlich aus Polen und Tschechien gearbeitet hatte, durch Zaunarten und etliche Dekoseiten;
… ging es um Landbefriedung, Bedeutung und Herkunft;
… um die Dualität des Zaunes.
Nach deutschem Ansatz ging ich anfangs davon aus, dass man Zäune generell niederreißen müsse. Und dabei ging es mir nicht um politische Motivation. Das sollte ich deutlich sagen. Mir ging es um die Schranken im Kopf – die natürlich auch politisch sein können. Mir ging es aber hauptsächlich darum, wie in China mit traditionellen Werten und der gesellschaftlichen Unterordnung umgegangen wird.
Der Begriff Sicherheit kann natürlich für alles herangezogen werden. Gerade da allerdings kommt ein Unwohlsein auf.
Doch der Dualität der Begrenzung kann auch ich mich nicht entziehen – über Intimität der Privatsphäre usw. bis zur Einschränkung. Der Gegensatz der erklärten und unerklärten Welt, das Definieren des Lebens: Davon kann man sich nicht lösen.
Nun gut. Nach etlichen Zäunen in Westmedien ging mir auf, dass Befriedung in China traditionell mit Mauern einherging. Da wo Zäune für das Auge durchlässig und beweglich, und auch Hecken noch weich sind, lassen Mauern keine Verbindung zwischen Innen und Außen zu. Also haben wir in China zunächst einmal Mauern statt Zäune. Die chinesische Mauer wie die Berliner Mauer.
Und Mauern sind darüber hinaus in China auch noch ziemlich hoch und konfuzianisch hierarchisch angelegt. Nach meinem Verständnis existieren psychologische, soziale und ideologische Zäune. Das habe ich alles hier gepostet: Über Zäune und hulans 护栏 (die Zeilen hier sind eine kurze Zusammenfassung der dort seitenlangen Ausführungen).
Dann aber wurde mir klar, dass es sich nicht um Befriedung handelt. Bei Straßenzäunen geht es um Personenführung und Massensteuerung. Ein Phänomen, dass im Westen nur in Ausnahmefällen notwendig erscheint. In Malls, in U-Bahnen, bei Massenveranstaltungen. In Duisburg zur Loveparade etwa. Damit war ich bei Massenbewältigung, Massendynamik gelandet. Wenn man das googelt, kommt man erst auf Propaganda, Geheimdienste, Überwachungsstaat, Scifi, neue Weltordnung, globale Bewusstseinskontrolle, Hypnose, Nationalsozialismus …
Dann kam ich endlich auf Massenpsychologie (Gustave Le Bon, 1895, Freud, 1921) und hauptsächlich auf detaillierte Fallstudien. Wobei man schon sagen kann, dass im Westen subtiler massengelenkt wird als in China. In U-Bahnhöfen etwa mit Anzeigetafeln und Werbung.
Jeder, der einmal in China war, wird festgestellt haben, dass die Bevölkerungsdichte etwas konzentrierter ist als im Westen. Weiterhin mag es einem ein wenig unaufgeräumter vorgekommen sein. Das haben wohl auch unsere Chefs dort so gesehen. Und im Zuge der Kultivierungskampagnen der Bevölkerung, natürlich auch zu unserer Sicherheit im Straßenverkehr, wurden Zäune aufgestellt. Alles andere als subtil. Erst ein paar, dann immer mehr, in meiner kleinen Straßen innerhalb des 2. Rings teilweise auf bis zu 4 Ebenen. Für Fußgänger, Fahrradfahrer, Autos. Jedem sein eigener Zaun. Da wird sich jemand eine goldene Nase verdienen. Entsprechend auch die goldene Version auf der Chang’anjie.
Ok, keine Befriedungszäune, keine Befriedungsmauern, dafür Massenlenkung. Ich dachte weiterhin wunderbar, mit dieser Omnipräsenz muss auch umgegangen werden. Ob man da nicht irgendwie auf die Barrikaden steigen kann. Mit künstlerischem Ansatz.
Ich suchte mir drei Künstler, die mir sehr gefallen, und erzählte ihnen stundenlang und mit ausgearbeiteten Mindmaps, was dieses Themenfeld alles zu bieten hat. Die Jungs machten sich ans Werk. Und ich brauchte eine Weile, um zu begreifen, was da vor sich ging.
Im Endeffekt könnte man sagen, dass dank dieser Ausstellung meine persönlichen Zäune im Verständnis über China einmal wieder umgestürzt wurden. Zwar predige ich Westlern gegenüber ständig, dass in China zwischen den Zeilen agiert wird. Aber ein Revoluzzerwunsch-Gen scheint auch weiterhin in mir zu schlummern.
Was wir hier sehen hat nichts mit Zäuneumschmeißen im westlichen Verständnis zu tun. Dennoch habe ich diese Art des Herangehens, nachdem es mir bewusst wurde, auch so auf den Straßen Beijings entdeckt. Dort nämlich sehen wir regelmäßig Dellen und Verrückungen, Umgehungen und Nichtbeachten. Autos stehen auf Fahrradwegen, so dass Fahrradfahrer die Autowege benutzen müssen. Genauso regelmäßig werden die Zäune wieder gerade gerückt und neu gestrichen. Es ist ein Hin und Her.
Auch wenn viel darüber diskutiert wird, sind Gesetze und Maßnahmen in Deutschland meist fest, es wird sich meist dran gehalten, Missachtung zieht Folgen und Strafen nach sich. Auch in China existieren Gesetze, mindestens so viele wie in Deutschland, gerne auch prozentual auf Landesfläche und Bevölkerungszahl umgerechnet. China ist mindestens so bürokratisch wie Deutschland.
Doch Einhaltung und Ausführung sind eine andere. Sagen wir mal etwas willkürlicher. Angewendet, wenn es halt passt. Von staatlicher Seite aus. Das weiß das Volk und hat seinen eigenen Umgang damit. Es wird mehr gemauschelt, Hintertüren sind beliebt …
Entsprechend agieren die Arbeiten, die wir hier sehen, innerhalb äußerer Begrenzungen. Zhang Xinjun hat sogar einen eigenen Kokon erarbeitet. Eine eigene Welt innerhalb der äußeren. Zhai Liang nimmt die Traditionen um Wahrsagerei und Welterklärungen auf die Schippe. Dazwischen sagt er 88, die chinesische Social Media-Abkürzung für baibai (Byebye). Respekt zollend wird der Hut gezogen, macht, was ihr wollt, aber ich bin dann mal raus. He Jian scheint, vielleicht durch sein Studium im Ausland, auf der Suche nach einem Ausweg, doch dieser würde bei ihm nur im freien Fall existieren. Deshalb schwirrt er weiter durch seine eigenen Räume.
Siehe im Zuge dieses Artikels auch 关于这个话题也看: Über Zäune und hulans 护栏 und Out of the Fence in Beijing
Tags für diesen Beitrag 这本文章的标签: Ankündigung 通知, Ausstellung 展览, Unterwegs 路上, Gegenwart 当代, Künstler 艺术家, Häufig gelesen 频看
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