Dienstag, 31. März 2009
听不懂
Die nördlichen Dialekte aus Dongbei, Hebei, Tianjin, auch der Inneren Mongolei mit Shandong-Einschlag waren noch einigermaßen verständlich, aber bei den Versionen aus dem südlichen Guangdong oder, besonders spannend, weil ich es noch nie gehört hatte, aus dem westlichen Qinghai konnte ich nicht mehr folgen – wäre es nicht ein und derselbe Text gewesen, hätte ich teils nur den unterschiedlichen Melodien lauschen können. Wie aufmunternd, dass es den hauptsächlich chinesischen Zuhörern ebenso ging. Eine wahrlich gelungene Veranstaltung des Goethe-Instituts (China) am Sonntag, den 29. März 2009, das Rezitationstreffen zum neuen Buch von Liu Zhenyun: "Eins zählt als Zehntausend". Zunächst wurde von einem Deutschen ein von „Lehrer Liu“ stammender Textabschnitt aus seinem neuen Werk auf Mandarin vorgetragen, wonach etwa fünf Dreier- bis Vierer-Gruppen den Text unter sich im Dialog aufteilend in der Mundart ihrer Provinz wiedergaben. Rezipienten und Zuhörer waren gleichermaßen begeistert.

Der zweite Teil bestand zunächst aus einem Vortrag von und anschließend aus einer Diskussion mit dem Schriftsteller Liu Zhenyun 刘震云 (1958 in Henan geboren), der ausführlich und ausholend, vollkommen frei und unglaublich lebendig sprach. Das Publikum war wie gebannt, es sollte die ganze Zeit Torte für jeden geben, aber die interessierte niemanden, jeder wollte noch eine Frage stellen, ein Mädchen stellte gleich zu Anfang ihrer Frage klar, dass noch zwei weitere folgen würden. Das Thema des kulturellen Reichtums, hier aufgegriffen durch die vielen und so unterschiedlichen Dialekte, fand großen Anklang und zeugt von dem Bedürfnis, das immer stärker in China zu spüren ist: Wer sind wir eigentlich, wo und was sind unsere Werte, Ursprünge, Vorstellungen, Eigenheiten?

29.3.9
Die Veranstaltung fand in der neuen Bibliothek des Goethe-Institutes (China) im Erdgeschoss des Haixing Gebäudes (海兴大厦), Zhongguancun, statt, die wirklich sehr schön geworden ist und nun häufige Veranstaltungen beherbergen soll. Ich bin gespannt auf mehr.

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Community in Transition
Nehme ich die Abfindung, ziehe aus meinem 8 qm großen, wenig isolierten Hutong ohne sanitäre Anlagen aus und hinein in ein Hochhaus in die Vorstadt oder bleibe ich lieber weiterhin mit der Großfamilie und all den Bekannten im Trubel und Beisammensein der kleinen Gassen wohnen? Das ist ein wenig plakativ, aber keineswegs unehrlich gefragt – ein Ansatz, der in dem Dokumentarfilm „A hutong and it’s Community in Transformation“ von Falk Kagelmacher am Samstag, den 28. März 2009 thematisiert wurde. Der knapp 15-minütige Film, der allerdings in den letzten dreißig Sekunden aussetzte und dem Publikum nur noch den Abspann bescherte, bot keine städteplanerischen Lösungen, sondern war das Produkt des vor zwei Jahren von Kagelmacher initiierten Projektes „Community in Transition“ (CiT). Kagelmacher, als GTZ-Berater seit 2003 für das Planungsamt des chinesische Bauministeriums tätig, will ein Bewusstsein für die Hutong-Situation schaffen, für die Menschen, die in dem wilden Bauboom-Durcheinander weiterleben wollen.

Kagelmacher schwärmt von der Wohngemeinschaft der Hutongs und lässt Hutong-Kinder die Lebenssituation ihrer Wünsche malen – Villen, eigene Häuser mit viel Grün und Blau ... Auch wenn die Hutong-Gegenden modernisiert und entwickelt werden müssen, ist es für den Städtebauer wichtig, „das existierende soziale Netzwerk zu erkennen und damit zu arbeiten. Trotz aller Nachteile bieten inner-städtische Wohngebiete in Peking ein sicheres Lebensumfeld im menschlichen Maßstab und ein breites Angebot“, so steht es in seiner Broschüre. Als verplantes Beispiel nennt er CBD, das Businessgebiet bei Guomao, in dem nach Feierabend niemand mehr auf den Straßen zu finden ist, weil dort einfach niemand wohnt. Die Vorführung war aber auch insofern interessant, weil sie in dem Hutong von Frau Wang stattfand, deren Sohn und Tochter, seit langem in Deutschland arbeitend, extra für die Eröffnung des zur Vermietung hergerichteten Baus in Peking waren. Es ist ein schönes, liebevoll renoviertes Siheyuan in der Dong songshu hutong Nr. 17 im innersten Stadtkern nahe beim neuen Nationaltheater, dem Großen Ei (大鸡蛋). Es befindet sich in einer kleinen Gasse, in der viel gebaut wurde, denn nicht alle Alt-Pekinger wollen nach Tongzhou abgeschoben werden.

In Ermangelung von Fotos der Veranstaltung, hier eines vom Ei, über das der Taxifahrer auf dem Weg dorthin zunächst ausgiebig herzog, nach meiner Begeisterung aber meinte, dass es, zusammen mit der Großen Hose (dem CCTV Gebäude) und dem olympischen Vogelnest, doch auch interessante Aspekte aufweise. Diese Art der Bauweise wird von der Bevölkerung nicht zu unrecht skeptisch beäugt, als Statussymbole verschlingen sie Unmengen öffentlicher Gelder und walzen über einstige Wohnviertel. Aber auch die moderne Architektur stößt (neben der ganzen Abrisssache) auf Unverständnis und viele fragen sich nach typisch chinesischen Elementen – nicht so beim Nest, das fast uneingeschränkte Zustimmung erfährt. Außerdem sind diese Bauwerke, obwohl erst vor kurzem fertiggestellt, bereits im Verfall begriffen, sie rosten vor sich hin, man sieht Plastikeimer, um Regenwasser aufzufangen, auch gewartet werden sie kaum – wenig Substanz ist leider immer noch typisch für chinesische Gebäude, es geht um den imposanten Anblick.


Gegen 18 Uhr am 28. März 2009 mit Drachen am Himmel, hier als kleine schwarze Punkte sichtbar.

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