Samstag, 28. Februar 2009
Ach, Zhong Lifeng
youjia, 17:14h
钟立风 + Borges [unterstrichen]
果实 + 艳遇
Soll das eine Gleichung sein, dann steht dort Zhong Lifeng und Borges durch Frucht und wunderbare Begegnung, vielleicht in dem Sinne, dass Zhong Lifeng durch den Einfluss von Borges unterm Strich das Produkt einer wunderbaren Begegnung ergibt. Dies als Bestandteil des Bühnenbildes:

Auf dem Ticket ist folgendes zu lesen:
钟立风 & Borges 乐队——“果实”于“艳遇”首发演唱会
Die Band Zhong Lifengs und Borges – Das „Ergebnis“ einer „wunderbaren Begegnung“ als Konzert.
Am 28.o2.2oo9, um 14:3o bis 16:3o Uhr im 朝阳区文化馆电影院 in der 小庄路口东, vom Dritten Ring abgehend in der Nähe des CCTV Gebäudes – deshalb heute auch das Foto von der Brandruine –, fand dieses Konzert statt. Ich war zum ersten Mal in den Räumlichkeiten, der Saal fasst etwa 2oo Zuschauer, nicht der neueste, aber ganz in Ordnung. Die Tickets gab es für 5o, 8o und 12o RMB.
Zum Ablauf: Zunächst, vor ockerfarbenem Vorhang und mit extra für die Show aufgehängten, von der Decke baumelnden maroden Stühlen, erklangen drei Instrumentalstücke, die ganz gut gespielt waren, mich aber nicht vom Hocker rissen. Es wirkte mehr wie eine gut eingespielte Probe, der Kontakt zum Publikum war weder vorhanden, noch wurde der Versuch gemacht, ihn aufzubauen. Ein Schlagzeuger, zwei Bass-Gitarristen, der eine in Hose und Jackett kaum vom Vorhang zu unterscheiden, ein Keyboarder und ein Saxophonist, der im dritten Stück sein Saxophon in ein Instrument tauschte, das ich noch nicht gesehen hatte, eine ca. 4o cm lange Art elektronischer Flöte mit rotem Mundstück, sah recht bizarr aus und pfeifte in hohen, aber nicht schrägen Tönen. Der Vorhang, schwarz, fiel, Rufe nach Zhong Lifeng ertönten, der Vorhang ging wieder auf, verschwunden war die ockerne Schicht, dafür kam eine tiefere Ebene der Bühne zum Vorschein, verschwunden auch der Saxophonist, der Keyboarder und einer der Gitarristen. Schlagzeuger und der andere Gitarrist waren an Ort und Stelle geblieben, dafür kamen nun noch ein weiterer Bass-Gitarrist, eine Frau am Akkordeon und eben Zhong Lifeng in der Mitte mit Gitarre hinzu. Alle fünf saßen und es konnte endlich losgehen. Nach ein paar Liedern, fragt Zhong Lifeng rhetorisch in die Runde, ob er ein wenig aus seinem Buch, das gerade publiziert wurde, vorlesen könne. Vorher erzählt er noch ein wenig, wie schwer es den meisten fiele, seine Texte zu fassen und dass eine Freundin meinte, seine Texte seien gut zur Anregung der Fantasie von Kindern. In Begleitung des Akkordeons liest er dann eine knappe halbe Stunde lang teils kommentierend drei Passagen, neben mir führt ein Mädchen hinter vorgehaltener Hand ein angeregtes Telefonat und schläft danach ein. Es wird dunkel und Zhong Lifeng erscheint im Scheinwerferlicht in einem Gang in der Mitte der Zuschauer – ein Raunen geht durch den Saal, das gefällt dem Publikum. Dort singt er, beim zweiten Stück wieder in Begleitung des Akkordeons, positioniert im Gang auf der anderen Seite, drei, vier Lieder, ihn Filmende freuen sich über die Nähe. Zum letzten Stück aus dieser Position tritt auf der Bühne eine Tänzerin, barfuss in einem blauen Pyjama, in recht willkürlich zerhackten Bewegungen und nicht immer im Rhythmus auf. Dann springt Zhong Lifeng wieder zurück auf die Bühne, wo seine Band bereits wartet und schmettert noch ein wenig drauf los. Claudia neben mir fiel auf, dass ich immer tiefer in meinem Platz versank. Nach vier oder fünf Zugaben, in denen er auf Fanzurufe seine beliebtesten Songs zum besten gibt, kommen alle möglichen Abschlussworte von Organisatoren und Mitstreitern, alle begeistert, jeder bedankt sich, wird hin- und hergewürdigt, Blumen verschenkt, Autogrammstunde rundet das ganze ab. Mit kam die Veranstaltung dann doch eher wie eine besser geratene Schulaufführung vor.
Ich hatte Zhong Lifeng Anfang des Monats mit Freunden in einer Kneipe beim Trommelturm spielen gehört, weshalb ich überhaupt auf ihn aufmerksam wurde. Im Internet habe ich seine Musik später als „Neo-Volkspop“ klassifiziert gefunden, die Bezeichnung ist mir nicht geläufig, aber sie trifft es ganz gut, balladenhafter Manchmal-Pop mit eigenen Ansätzen besonders vom Text her. Zhong Lifeng, der aus Zhejiang stammt und seit 1995 in Peking lebt, wirkt mit dem durchgehend netten Grinsen im Gesicht fast kindlich naiv, er freut sich wahnsinnig, auf der Bühne zu stehen und über sein Publikum, das größtenteils seine Texte mitsingen kann. Mir war das alles doch etwas zu niedlich, manchmal wirkte das Ganze eher wie eine chinesische Show von Rolf Zuckowski. Mag sein, dass mir das Genre nicht zusagt, am Trommelturm war die Atmosphäre auch eine vollkommen andere. Klar war der Gesang dort schon recht schmierig, aber das machte Zhong Lifeng mit seiner sympathisch netten Art wett, man freute sich einfach mit ihm und grinste über sein ständiges Grinsen, die Texte klangen, wenn ich sie auch nicht komplett verstand, sehr witzig. Besonders schien er einen melancholischen Nerv zu treffen, über den er selbst hinweglachte.
Achso, und was den Einfluss von Borges betrifft, so vermute ich, dass ihm dessen fantastische Literatur und Vermischung der Realitätsebenen zusagen.
Tags für diesen Beitrag 这本文章的标记: Musik 音乐, Beijing 北京, Unterwegs 溜达
果实 + 艳遇
Soll das eine Gleichung sein, dann steht dort Zhong Lifeng und Borges durch Frucht und wunderbare Begegnung, vielleicht in dem Sinne, dass Zhong Lifeng durch den Einfluss von Borges unterm Strich das Produkt einer wunderbaren Begegnung ergibt. Dies als Bestandteil des Bühnenbildes:

Auf dem Ticket ist folgendes zu lesen:
钟立风 & Borges 乐队——“果实”于“艳遇”首发演唱会
Die Band Zhong Lifengs und Borges – Das „Ergebnis“ einer „wunderbaren Begegnung“ als Konzert.
Am 28.o2.2oo9, um 14:3o bis 16:3o Uhr im 朝阳区文化馆电影院 in der 小庄路口东, vom Dritten Ring abgehend in der Nähe des CCTV Gebäudes – deshalb heute auch das Foto von der Brandruine –, fand dieses Konzert statt. Ich war zum ersten Mal in den Räumlichkeiten, der Saal fasst etwa 2oo Zuschauer, nicht der neueste, aber ganz in Ordnung. Die Tickets gab es für 5o, 8o und 12o RMB.
Zum Ablauf: Zunächst, vor ockerfarbenem Vorhang und mit extra für die Show aufgehängten, von der Decke baumelnden maroden Stühlen, erklangen drei Instrumentalstücke, die ganz gut gespielt waren, mich aber nicht vom Hocker rissen. Es wirkte mehr wie eine gut eingespielte Probe, der Kontakt zum Publikum war weder vorhanden, noch wurde der Versuch gemacht, ihn aufzubauen. Ein Schlagzeuger, zwei Bass-Gitarristen, der eine in Hose und Jackett kaum vom Vorhang zu unterscheiden, ein Keyboarder und ein Saxophonist, der im dritten Stück sein Saxophon in ein Instrument tauschte, das ich noch nicht gesehen hatte, eine ca. 4o cm lange Art elektronischer Flöte mit rotem Mundstück, sah recht bizarr aus und pfeifte in hohen, aber nicht schrägen Tönen. Der Vorhang, schwarz, fiel, Rufe nach Zhong Lifeng ertönten, der Vorhang ging wieder auf, verschwunden war die ockerne Schicht, dafür kam eine tiefere Ebene der Bühne zum Vorschein, verschwunden auch der Saxophonist, der Keyboarder und einer der Gitarristen. Schlagzeuger und der andere Gitarrist waren an Ort und Stelle geblieben, dafür kamen nun noch ein weiterer Bass-Gitarrist, eine Frau am Akkordeon und eben Zhong Lifeng in der Mitte mit Gitarre hinzu. Alle fünf saßen und es konnte endlich losgehen. Nach ein paar Liedern, fragt Zhong Lifeng rhetorisch in die Runde, ob er ein wenig aus seinem Buch, das gerade publiziert wurde, vorlesen könne. Vorher erzählt er noch ein wenig, wie schwer es den meisten fiele, seine Texte zu fassen und dass eine Freundin meinte, seine Texte seien gut zur Anregung der Fantasie von Kindern. In Begleitung des Akkordeons liest er dann eine knappe halbe Stunde lang teils kommentierend drei Passagen, neben mir führt ein Mädchen hinter vorgehaltener Hand ein angeregtes Telefonat und schläft danach ein. Es wird dunkel und Zhong Lifeng erscheint im Scheinwerferlicht in einem Gang in der Mitte der Zuschauer – ein Raunen geht durch den Saal, das gefällt dem Publikum. Dort singt er, beim zweiten Stück wieder in Begleitung des Akkordeons, positioniert im Gang auf der anderen Seite, drei, vier Lieder, ihn Filmende freuen sich über die Nähe. Zum letzten Stück aus dieser Position tritt auf der Bühne eine Tänzerin, barfuss in einem blauen Pyjama, in recht willkürlich zerhackten Bewegungen und nicht immer im Rhythmus auf. Dann springt Zhong Lifeng wieder zurück auf die Bühne, wo seine Band bereits wartet und schmettert noch ein wenig drauf los. Claudia neben mir fiel auf, dass ich immer tiefer in meinem Platz versank. Nach vier oder fünf Zugaben, in denen er auf Fanzurufe seine beliebtesten Songs zum besten gibt, kommen alle möglichen Abschlussworte von Organisatoren und Mitstreitern, alle begeistert, jeder bedankt sich, wird hin- und hergewürdigt, Blumen verschenkt, Autogrammstunde rundet das ganze ab. Mit kam die Veranstaltung dann doch eher wie eine besser geratene Schulaufführung vor.
Ich hatte Zhong Lifeng Anfang des Monats mit Freunden in einer Kneipe beim Trommelturm spielen gehört, weshalb ich überhaupt auf ihn aufmerksam wurde. Im Internet habe ich seine Musik später als „Neo-Volkspop“ klassifiziert gefunden, die Bezeichnung ist mir nicht geläufig, aber sie trifft es ganz gut, balladenhafter Manchmal-Pop mit eigenen Ansätzen besonders vom Text her. Zhong Lifeng, der aus Zhejiang stammt und seit 1995 in Peking lebt, wirkt mit dem durchgehend netten Grinsen im Gesicht fast kindlich naiv, er freut sich wahnsinnig, auf der Bühne zu stehen und über sein Publikum, das größtenteils seine Texte mitsingen kann. Mir war das alles doch etwas zu niedlich, manchmal wirkte das Ganze eher wie eine chinesische Show von Rolf Zuckowski. Mag sein, dass mir das Genre nicht zusagt, am Trommelturm war die Atmosphäre auch eine vollkommen andere. Klar war der Gesang dort schon recht schmierig, aber das machte Zhong Lifeng mit seiner sympathisch netten Art wett, man freute sich einfach mit ihm und grinste über sein ständiges Grinsen, die Texte klangen, wenn ich sie auch nicht komplett verstand, sehr witzig. Besonders schien er einen melancholischen Nerv zu treffen, über den er selbst hinweglachte.
Achso, und was den Einfluss von Borges betrifft, so vermute ich, dass ihm dessen fantastische Literatur und Vermischung der Realitätsebenen zusagen.
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Donnerstag, 26. Februar 2009
Canettis "Blendung"
youjia, 14:10h
Elias Canetti: Die Blendung. Frankfurt a. M., Fischer: 1963 [1935]. 1981 mit dem Literaturnobelpreis bedacht.
Mein abschließender Eindruck ist zermürbend und bleibt wieder an der seit meinem Einstieg in das Berufsleben mich beschäftigenden und vorher nicht weiter wahrgenommenen (weil nicht als Ungleichheit empfundenen) Frage nach dem Geschlechterstreit hängen. Dieser in Canettis "Blendung" dargestellte Hass auf das weibliche Geschlecht, das nur als Störfaktor des Mannes erscheint, wirkt wie solcher Lust beschrieben und mit solch fundamentalen aus Kunst und Literatur schöpfenden Verweisen bedacht, dass die bis heute sich hinziehende Missachtung gegenüber der Frau gar plausibel wird. Darum, sich alles so Hinzubiegen, wie es einem gerade passt, geht es in diesem Roman und darin brilliert er meisterhaft. Schon bald hängen einem die Stellen über Therese zum Hals heraus, man kann sie, mit ihrem, so heißt es, aus 50 Wörtern bestehenden, in Kurzsätzen abgehackten Vokabular, nicht mehr hören, überspringt die sich ständig gleich bleibenden Phrasen und hofft, dass der Autor ihrer selbst bald genug hat. Alle Figuren sind verblendet geschildert, manchmal rutscht dem Autor allerdings eine Floskel von Therese bei Fischerle mit hinein, was nicht gewollt wirkt und wo sonst die je eigene Sprache der einzelnen Charaktere steht. Sein Ergötzen am jeweiligen starren Beharren und kontinuierlichen Aneinander-Vorbeireden macht den besonderen Reiz aus und ist verständlich, so auch der damit einhergehende Raubbau am letzten Nerv des Lesers, die Zumutung ist berechnet – und wirkt, weiß man doch von seinen eigenen, sich durch den Tag und verschiedene Situationen ziehenden Gedankenspielen.
Der Inhalt ist schnell geschildert: Doktor Peter Kien, der, so lautet die häufig aufgenommene Selbstbezeichnung, "größte lebende Sinologe", lebt ausschließlich in seinem Elfenbeinturm aus Büchern und Gelehrsamkeit weltfremd und ohne jeglichen Sinn für das Leben abseits seiner Bibliothek, Bücher bedeuten ihm alles. In den drei Teilen "Ein Kopf ohne Welt", "Kopflose Welt" und "Welt im Kopf" gerät Kien in den Strudel des täglichen Wahnsinns, der sich mit seinem paart. Er heiratet die stumpfe Therese, wird von der ausschließlich an Geld und Sex Interessierten, beides ihm weit entfernt, aus der Wohnung ausgesperrt und landet im Leben der Gauner und Zuhälter – bis er schließlich vom groben Hausbesorger Pfaff in dessen Kabinett eingesperrt, vom eigenen Bruder, der einzigen positiven Figur, wieder in sein vorheriges Leben und die Wohnung mit den Büchern gebracht wird, sich dort aber aus Irrsinn mit seiner gesamten Bibliothek selbst verbrennt.
Ich habe das Buch unter Qualen sehr genossen. Jeder einzelnen Figur hat sich Canetti ausufernd gewidmet, ihre Charaktere sofort ernüchternd demaskiert, ihr Dasein im Laufe der Erzählung bloßgelegt, ihre haarsträubenden Vorstellungen von sich selbst und von anderen mit den gleichfalls verdrehten der anderen so verzahnt, das einem oft übel wird. Das für Canetti und die Zeit zwischen 1920 und 1930 wichtige Thema "Masse und Macht", so auch der Titel seines Hauptwerkes, wird durch den Bruder Kiens ausgesprochen, ist aber in der gesamten "Blendung" durch den Versuch der Figuren präsent, ihre jeweils eigene Welt v. a. vor sich selbst zu rechtfertigen und sich so ihrer Einzigartigkeit zu versichern.
Für Pamina.
Tags für diesen Beitrag 这本文章的标记: Literatur 文学, Vergangenes 古代
Mein abschließender Eindruck ist zermürbend und bleibt wieder an der seit meinem Einstieg in das Berufsleben mich beschäftigenden und vorher nicht weiter wahrgenommenen (weil nicht als Ungleichheit empfundenen) Frage nach dem Geschlechterstreit hängen. Dieser in Canettis "Blendung" dargestellte Hass auf das weibliche Geschlecht, das nur als Störfaktor des Mannes erscheint, wirkt wie solcher Lust beschrieben und mit solch fundamentalen aus Kunst und Literatur schöpfenden Verweisen bedacht, dass die bis heute sich hinziehende Missachtung gegenüber der Frau gar plausibel wird. Darum, sich alles so Hinzubiegen, wie es einem gerade passt, geht es in diesem Roman und darin brilliert er meisterhaft. Schon bald hängen einem die Stellen über Therese zum Hals heraus, man kann sie, mit ihrem, so heißt es, aus 50 Wörtern bestehenden, in Kurzsätzen abgehackten Vokabular, nicht mehr hören, überspringt die sich ständig gleich bleibenden Phrasen und hofft, dass der Autor ihrer selbst bald genug hat. Alle Figuren sind verblendet geschildert, manchmal rutscht dem Autor allerdings eine Floskel von Therese bei Fischerle mit hinein, was nicht gewollt wirkt und wo sonst die je eigene Sprache der einzelnen Charaktere steht. Sein Ergötzen am jeweiligen starren Beharren und kontinuierlichen Aneinander-Vorbeireden macht den besonderen Reiz aus und ist verständlich, so auch der damit einhergehende Raubbau am letzten Nerv des Lesers, die Zumutung ist berechnet – und wirkt, weiß man doch von seinen eigenen, sich durch den Tag und verschiedene Situationen ziehenden Gedankenspielen.
Der Inhalt ist schnell geschildert: Doktor Peter Kien, der, so lautet die häufig aufgenommene Selbstbezeichnung, "größte lebende Sinologe", lebt ausschließlich in seinem Elfenbeinturm aus Büchern und Gelehrsamkeit weltfremd und ohne jeglichen Sinn für das Leben abseits seiner Bibliothek, Bücher bedeuten ihm alles. In den drei Teilen "Ein Kopf ohne Welt", "Kopflose Welt" und "Welt im Kopf" gerät Kien in den Strudel des täglichen Wahnsinns, der sich mit seinem paart. Er heiratet die stumpfe Therese, wird von der ausschließlich an Geld und Sex Interessierten, beides ihm weit entfernt, aus der Wohnung ausgesperrt und landet im Leben der Gauner und Zuhälter – bis er schließlich vom groben Hausbesorger Pfaff in dessen Kabinett eingesperrt, vom eigenen Bruder, der einzigen positiven Figur, wieder in sein vorheriges Leben und die Wohnung mit den Büchern gebracht wird, sich dort aber aus Irrsinn mit seiner gesamten Bibliothek selbst verbrennt.
Ich habe das Buch unter Qualen sehr genossen. Jeder einzelnen Figur hat sich Canetti ausufernd gewidmet, ihre Charaktere sofort ernüchternd demaskiert, ihr Dasein im Laufe der Erzählung bloßgelegt, ihre haarsträubenden Vorstellungen von sich selbst und von anderen mit den gleichfalls verdrehten der anderen so verzahnt, das einem oft übel wird. Das für Canetti und die Zeit zwischen 1920 und 1930 wichtige Thema "Masse und Macht", so auch der Titel seines Hauptwerkes, wird durch den Bruder Kiens ausgesprochen, ist aber in der gesamten "Blendung" durch den Versuch der Figuren präsent, ihre jeweils eigene Welt v. a. vor sich selbst zu rechtfertigen und sich so ihrer Einzigartigkeit zu versichern.
Für Pamina.
Tags für diesen Beitrag 这本文章的标记: Literatur 文学, Vergangenes 古代
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