Sonntag, 8. März 2020
2020 KW9: Lieber Computergott
youjia, 19:52h
Jimmie Durham: Baby, please don’t go. Stöckelschuhe und Dorit-Steinplatte, 2000. In: Installationen aus 25 Jahren Sammlung Falckenberg, Sammlung Falckenberg, 30.11.2019–24.5.2020.
Ich dachte seit einigen Jahren mit nicht abzustreitendem Stolz, China hätte mich Geduld gelehrt. Leider ist die in Deutschland nötige Geduld von ganz anderem Kaliber.
Bei Computerproblemen oder allgemein bei Problemen technischer oder handwerklicher Art ist es in China relativ einfach, sich ein Netzwerk aufzubauen, um seine Anliegen – in meinem Fall Computer, Kamera, gelegentliche Arbeiten in der Wohnung – meist am selben Tag gelöst zu bekommen. (Ausnahmesituationen wie momentan zu Zeiten des Coronavirus einmal außenvorgelassen.) Aufgrund der Bevölkerungsdichte in Deutschland und anderen Gründen, die zu Fachkräftemangel geführt haben, ist dem hier nicht so. Natürlich bin ich prinzipiell für Arbeitsschutzzeiten und angemessene Lohnkosten. Aber den Mangel an Personal könnte man doch wenigstens mit Strukturen abfedern, die zumindest nicht alles verkomplizieren.
Am Freitagabend des 28.2. hatte mein Rechner einen Kurzschluss – so weiter meine Annahme, bis heute, 8.3., bin ich zu keinem Techniker durchgedrungen. Ich hatte mir wegen unheilbaren Defekts der alten neue Lautsprecher anschaffen müssen. Es bleibt fragwürdig, warum man sich hier Geräte kaufen kann, aus dessen Klinkenkabel im ausgeschalteten Zustand immer noch Strom fließt – gibt es hier nicht Normen für alles, und warum hat keiner in den sonst jeden Kleinkram kommentierenden Bewertungen davor gewarnt? Ich versuchte jegliche der mir online empfohlenen Cmd+alt+P+R- usw. Formeln, der Bildschirm blieb grau. Da mein soziales und damit professionelles Netzwerk hier leider wirklich noch nicht vorzeigbar ist, kenne ich in Hamburg nur Justcom, die sich um MacBooks kümmern. Ich fahre meist direkt zu deren Hardware-Fixstelle in die Süderstraße nach Hammerbrook, weil mein Gerät da bislang sowieso am Ende immer gelandet ist. Nun haben die aber samstags geschlossen. Von den kleinen Zweigstellen am Grindel und in Altona hatte ich bislang keine großartige Kompetenz erfahren, aber man versucht schließlich alles mögliche, wenn man keine andere Wahl hat. Der schwarze Kapuzenpulli in der Osterstraße schien mich immerhin zu verstehen, versprach einen Analysedurchgang vor Ort und wollte sich melden. 50 Expresseuro bin ich schon gewohnt, wenn ich mit meinem Anliegen nicht eine, eineinhalb angesagte, meist dann aber eher zwei Wochen in einer Schublade verbringen möchte, bevor sie aufgezogen wird.
Leider kann man die einzelnen Läden nicht direkt anrufen – was strukturell gar nicht so blöde ist, über die immer sehr freundlich besetzte Hotline wird einem wenigstens über den Prozess Auskunft erteilt. Vor allem geht man damit nicht den Technikern auf die Nerven und verlangsamt ihre Arbeit, alles verständlich und prinzipiell in meinem Sinne. Zwar können die Hotliner auch nur den Prozessverlauf einsehen, den ich genauso online aufrufen kann, aber sie können mit den Technikern sprechen. Allerdings arbeiten Prozesse meistens nicht flexibel. Ich bitte jedes Mal darum, mich doch unbedingt anzurufen – das kann nicht mehr Zeit kosten als mir eine Email zu schreiben, aber bindet mich ein und wenn es mich auch nicht glücklicher machen würde, so beruhigt es mich im Zweifelsfall. Am Samstag, 29.2., erfahre ich um 15 Uhr bei der Hotline, dass mein Rechner in die Süderstraße geschickt wurde und Montagmorgen gleich bearbeitet und nach Fertigstellung zurück in die Osterstraße geliefert werden sollte. Ich bitte erneut darum, mich anzurufen, damit ich selbst nach Hammerbrook fahren und das Gerät abholen kann, da ich mit Sicherheit schneller sein werde als der Lieferant, der – immerhin – zwei Mal am Tag dort vorbeifährt und dann seine Route über die zehn Filialen startet. Dringlichkeit scheint hier wirklich komplett anders interpretiert zu werden als in China – und Beijing ist schon lahm im Vergleich zu Shanghai. Montagabend, spätestens Dienstag früh sollte ich meinen Kasten wiederbekommen. Dass das überhaupt nicht stimmen konnte, fiel mir erst nach meinem erneuten Anruf bei der Hotline am Montag ein. Schließlich sieht der Justcom-interne Prozess vor, nach der Analyse zunächst einen Kostenvoranschlag zu stellen und sich dann erst an die eigentliche Arbeit zu machen. Das geschah dann erst am Mittwoch, 4.3.
Am Montag, 2.3., rief ich um 17 Uhr an, um es vor Ladenschluss um 18 Uhr nach Hammerbrook zu schaffen, falls …, man darf ja noch hoffen. Allerdings wurde mir gesagt, dass der Rechner erst vor zwei Stunden angekommen sei. Danke für die Ehrlichkeit, die vielleicht auch nur rausgerutscht war, aber ich hätte mich zur Beschleunigung nur zu gerne selbst auf den Weg gemacht – oder machen vier, fünf gewonnene Stunden hier einfach keinen Unterschied? Meine Bude blitzt und so viele Fenster habe ich gar nicht, die ich zur Ablenkung putzen kann. Brauche ich wohlmöglich einen Zweitrechner, weil ich der Kommunikation in Deutschland nicht mächtig bin? Oder handhabt es der Service hier so, wie ich es mir mittlerweile anzueignen versuche, wenn mich mal wieder jemand ungefragt zusenft: Einfach laufen lassen und gedanklich eigene Richtungen einschlagen? Dumm für mich, dass ich in beiden Fällen zahle, hier mit harten Talern. Die Grafikkarte muss ausgetauscht werden, 300€, und ich werde eventuell Dienstag oder Mittwoch benachrichtigt. Wir schreiben gerade Sonntag, den 8.3., ich schreibe auf Papier und tippe dies ins Handy ab.
Sollte jemand jemanden mit Apfelkenntnissen in Hamburg kennen, so freue ich mich über jeden Strohhalm.
Tags für diesen Beitrag 这本文章的标签: 2020 Kalenderwochen 2020年的一周一次
... comment