Donnerstag, 18. Dezember 2014
Unlived by What is Seen 不在图像中行动


Zeit: 13-Dez-2014 bis 15-März-2015
Ort: Pace Beijing, Galleria Continua und Tang Contemporary
Hier alle auf einen Blick.

Kuratiert von: Sun Yuan & Peng Yu 孙原&彭禹 sowie Cui Cancan 崔灿灿

Es nehmen teil: 29 Künstler, 2 Organisationen, 3 Künstlerkollektive, gefühlt 593 Einzel- und Mehrfachpersonen oder auch alle, die entweder laut genug schreien oder tatsächlich etwas zu melden haben. Zehn bis zwölf Stunden, heißt es, brauche man zur Sichtung des gesamten Materials. Man sieht sich einer Flut von Videosequenzen gegenüber, die in die Bauhaussubstanzen in wohleingefügte Nischen platziert sind. Auch auf den zweiten Blick ist man überwältig von der Masse, es handelt sich mehr um Hintergrundmaterial und möchte Sicht und Ansätze der Künstler herausheben – das zeigen, was nicht in den Bilder bzw. was hinter ihnen existiert, der Titel als Programm. Für mich handelt es sich ehrlich gesagt entsprechend eher um Recherchematerial, und als dieses um sehr wertvolles. Doch bin ich nicht der Meinung, dass es in diesem Rahmen einer großen, drei Galerien umfassenden Sause präsentiert werden muss. Zumindest habe ich keine Geduld, mich vor die jeweils bestimmt halbstündigen, in Sättigung und Klarheit hochgejagten, wie Fernsehaufnahmen wirkenden Clips zu stellen. Viel lieber würde ich mir das Ganze oder ausgewählte Teile auf meinem eigenen Rechner am Schreibtisch oder zur Not auch auf einer Leinwand mit Sitzmöglichkeit davor ansehen. Als probaten Rahmen empfinde ich hierfür das WWW oder meinetwegen auch die Buchform mit DVD.

Was die Recherchehaftigkeit des gesamten Unternehmens unterstreicht, sind etliche Wandtafeln mit Infografiken und Analysen. Hier etwa über Xie Nanxing 谢南星 (in Pace Beijing):







Und hier von Huang Yan 黄彦 (in Tang Contemporary):







Auch die Weixin-Wand von Li Binyuan 历槟源 (in Tang Contemporary) mit all seinen Fotoposts über eineinhalb Jahre hinweg entspricht diesem Infomuster. Hier musste ich unweigerlich an Sun Yuan und Peng Yus Punkrock-/ Motorradstil denken, so röhrend ballerte mir die Wand entgegen.



Ich finde solche Schematisierungen großartig, nicht, dass sie immer unbedingt enorm aussagekräftig sind, aber sie lassen Gedankenwindungen zu. Doch obwohl es Kunstfertigkeit, viel Fleiß und konzeptuelles Denken erfordert, sie anzufertigen, handelt es sich für mich nicht um Kunstwerke per se, sondern um eine Vorarbeit zur Schaffung von etwas, das daraus entstehen kann – oder um eine Nacharbeit von und für Kunstkritiker und -historiker. Wie auch die Videoclips hätte ich mir dies lieber in Ruhe online angesehen.

Hier die kleine Auswahl der Werke, die mir gefallen haben:


Wang Shuo 王硕: Wheather Forecast is Inaccurate 气象预报不准确. 2013.
In: Pace Beijing.




Wei Bingqiang 卫秉强: A Piece of Leaf 一片叶子. 2013–2014.
In: Tang Contemporary.

Von Wei stammt auch einer der wenigen Clips, die ich mir tatsächlich eine Weile angesehen habe, was allerdings eher daran lag, dass es zu voll war und ich nicht weiterkam und außerdem, weil niemand im Goldenen Schnitt dargestellt auf mich einredete. Zunächst sah ich die Sequenz, in der eine Hand immer wieder ein Feuerzeug betätigte, ohne dass es ansprang. Darauf folgten ähnliche, sich im Kreis drehende Geschichten, ein gurgelndes Wasserloch, Ameisen, die hin und her und vermeintlich nirgendwohin strebten. Ich mag solche monotonen Momente, die einen hypnotisieren.


Wei Bingqiang 卫秉强: Consummation 圆满. 2011–2014.
In: Tang Contemporary.

HomeShop 家作坊 präsentierte die archivarische Retrospektive des eigenen Wirkens von 2008 bis 2013, und hier, endlich, mit Sammelband zum Mitnehmen und Nachlesen. Vielleicht erzählt der große Tonkrug von Bruder Qu ganz gut exemplarisch die Geschichte von HomeShop: Wie oft kann etwas zerbrechen, wieder repariert und anderweitig verwendet werden? Mich hat es sehr gefreut, alle wieder einmal an einem Ort zu sehen. Und wer weiß, was nach einer Versenkung von ein paar Jahren erneut entstehen mag.


Qu Yizhen 曲一箴 (HomeShop): Fish Bowl 鱼缸. 2011–2013.
In: Pace Beijing.

Am allerbesten hat mir die Aufmachung in der Galleria Continua gefallen. Auch hier hingen ein paar Videos herum, besonders aber gab es viel Leere.


Li Yongbins 李永斌 Raum war schon gut.

Wirklich begeistert war ich aber, nicht nur wegen des vorherigen Overflows, vielleicht jedoch ein bisschen, von dem Raum von Gu Dexin 顾德新:


Zumindest visuell, denn leider war aktives Aufatmen in den Hallen nicht möglich. Beim Hochgehen konnte ich nur ganz kurz oben ein Bild von Gus Ausstellungsfläche knipsen, einen Blick auf Zhuang Huis wunderbare Fotos werfen und dann schnellstens wieder rauslaufen, denn es roch bestialisch. Perng Fey meinte später, dass sich während der Renovierung Pilze über das beigefügte Wasser in die Farbe hineingewuchert haben müssen.


Zhuang Hui 庄辉: Zhuang Hui Solo Exhibition 庄辉个展. 2014.
In: Galleria Continua.

Ob es sich bei dieser Ausstellung wie angekündigt um eine Umdefinierung der Kunstszene handelt, wage ich zu bezweifeln. Man mag dem entgegenhalten, dass ich eine zu konventionelle Vorstellung davon habe, was als Kunst bezeichnet wird. Mein Plädoyer geht dennoch dahin, all dieses wirklich wertvolle Material in anderer Form zur Verfügung zu stellen. Ihr habt euch so viel Arbeit gemacht, könnt ihr nicht noch eine Webseite erstellen und dem Ganzen dadurch einen dauerhaften Nutzen abgewinnen?


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