Mittwoch, 16. Juli 2025
Kunst in Norddeutschland, Sommer 2025
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Hamburg surreal



In der Hamburger Kunsthalle läuft Rendezvous der Träume: Surrealismus und deutsche Romantik, kuratiert von Annabelle Görgen-Lammers, 13.6.–12.10.2025.

Gut einhundert Jahre, nachdem André Breton (1896–1966) in Paris mit seinem ersten „Manifest des Surrealismus“ (1924) die Bewegung begründete, wird in dieser – überschäumenden, wirklich gut kuratierten, sehr sehenswerten – Ausstellung dargelegt, wie der Surrealismus die Romantik aufgriff. Vor allem die deutsche Romantik zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Nach der großen Friedrich-Show sehen wir einige seiner Arbeiten erneut, hier angenehm unprätentiös unter die anderen gemischt. Vor allem aber sehen wir Max Ernst und Toyen und Oppenheim – die Ausstellung zieht sich über drei Etagen, angefangen im Hubertus-Wald-Forum mit dem Thema „Träume“ inklusive kleinem Raum zum Manifest, geht über zum Thema „Wald“ und hoch zum „Kosmos“.


Max Ernst (1891–1976): Das Rendezvous der Freunde | At the Rendezvous of Friends. Öl auf Leinwand, 1922. Museum Ludwig, erworben mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen 1971.
V. l. n. r., erste Reihe | Left to right, front row: René Crevel, Max Ernst auf dem Schoss von | on the knees of Fyodor Dostoyevsky, Theodor Fraenkel, Jean Paulhan, Benjamin Péret, Johannes Th. Baargeld, Robert Desnos.
Hintere Reihe | Back row: Philippe Soupault, Hans Arp, Max Morise, Raffaele Sanzio, Paul Éluard, Louis Aragon, André Breton, Giorgio de Chirico, Gala Éluard.


Ders.: Der Hausengel (Der Triumph des Surrealismus) | The Fireside Angel (The Triumph of Surrealism). Öl auf Leinwand, 1937. Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München, Pinakothek der Moderne, erworben durch Schenkung der Theo Wormland-Stiftung 2013.


Judit Reigl (1923–2020): Sie haben unstillbaren Durst nach dem Unendlichen | Theirs is an Insatiable Thirst for the Infinite. Öl auf Leinwand, 1950. Centre Pompidou, Paris, Musée national d’art moderne/ Centre de création industrielle, Ankauf 2003.


Kurt Seligmann (1900–62): Indianischer Mythos | Indian Myth.* Öl auf Leinwand, 1946. Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie/ Schenkung Sammlung Ulla und Heiner Pietzsch an das Land Berlin 2010.
* Hier mit Asterisk für heutige bevorzugte Selbstbezeichnungen versehen: Indigene Völker, Pueblos Originarios, Native Americans (USA), First Nations (Kanada).


Suzanne Van Damme (1901–86): Surrealistische Komposition | Surrealist Composition. Öl auf Leinwand, 1943–47. RAW Collection.

Während die Ausstellung bereits angelaufen war, erwarb die Kunsthalle Ende Juni diesen hier beeindruckend bescheiden ins Eck gehängten neuen Magritte für 2,4 Millionen Euro:


René Magritte (1898–1967): Der Palast aus Vorhängen | The Palace of Curtains. 81x116cm, Öl auf Leinwand, 1929. Hamburger Kunsthalle, gemeinsames Eigentum mit Stiftung Hamburger Kunstsammlungen und Heinz H. O. Schröder Stiftung, Erwerb mit weiterer Unterstützung.
(Skulptur vorne:) Alexander Calder (1898–1976): Palme (Mobile) | Palm. Detail, 22 Einzelteile aus Aluminium, Traversen und Ösen aus Eisen, Anstrich in Alkydharz, ca. 1959. Hamburger Kunsthalle, erworben 1959.


Julian Rosefeldt (*1965): Manifesto. Detail, Teil 8 der 13-Kanal-Filminstallation, Farbe, Stereo Sound, HD, 16:9, 10:30 Min., Loop, 2015. Courtesy Julian Rosefeldt.


Ebd., Detail.


Edgar Ende (1901–65): Der Puppenspieler | The Puppeteer. Öl auf Leinwand, 1931. Hamburger Kunsthalle, erworben 1990.


René Magritte (1898–1967): Das doppelte Geheimnis | The Double Secret. Öl auf Leinwand, 1927. Centre Pompidou, Paris, Musée national d’art moderne/ Centre de création industrielle, Ankauf 1980.
Anm.: Die Lichtflecken stammen von der Beleuchtung – oder doch vom dritten Auge …?


Salvador Dalí (1904–89): Die Unsichtbaren – Schlafende, Pferd, Löwe | Invisible Sleeping Woman, Horse, Lion. Öl auf Leinwand, 1930. Centre Pompidou, Paris, Musée national d’art moderne/ Centre de création industrielle, Schenkung Association Bourdon 1993.


Ders.: Doppelrätsel | Double Enigma. Dekalkomanie und Gouache auf schwarzem Papier, 1936. Sammlung Ulla und Heiner Pietzsch, Berlin.


Anonym: Klecksbild mit sechs Profilbildnissen im Rund | Klecksography of Six Profiles in a Round. Feder in brauner Tinte auf Vergé, ca. 1820. Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud.


André Masson (1896–1987): Pflanzliches Delirium | Plant Delirium. Chinatusche auf Papier, ca. 1925. Privatsammlung.


André Breton (1896–1966): Der Stammbaum der Romantik | The Family Tree of Romanticism. Zeichnung auf Papier, letzte Seite Manuskript von 11 Seiten (Faksimile), 1946. Courtesy Association Atelier André Breton.


Bettina von Arnim (1785–1859): Die Gründerrode. Detail, 2 Bände, Band 1, Grünberg und Leipzig 1840. Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Signatur: Scrin A/6673:1.
Text: „und stösselt abermals und nochmals / und für und für / und einmal zweimal dreimal bis tausend / und fängt von vorne wieder an / und stösselt das grosse einmaleins und das kleine einmaleins / und stösselt und stösselt und stösselt / seite 222 seite 223 seite 224 und so fort bis seite 229 / überschlägt seite 300 und fährt mit seite 301 fort bis seite 400 / und stösselt das einmal vorwärts zweimal rückwärts dreimal aufwärts und viermal abwärts / und stösselt die zwölf monate / und die vier jahreszeiten / und die sieben wochentage / und die sieben töne der tonleiter / und die sechsfüssigen jamben / und die geraden hausnummern / und stösselt / und stösselt das ganze zusammen / und es stimmt / und gibt eins“.

Durchgang zur „Passage“ gen „Wald“:





Toyen (Marie Čermínová, 1902–80): Zu einer bestimmten Stunde | At a Given Moment. Öl auf Leinwand, 1963. Privatsammlung, Courtesy Galerie 1900–2000, Paris.


Max Ernst (1891–1976): Weib[*], Greis und Blume | Woman, Old Man, and Flower. Öl auf Leinwand, Paris 1923, Eaubonne 1924. The Museum of Modern Art, New York, erworben 1937.
[*] Auch ohne Asterisk: Heute nicht mehr konform.


Ders: Maximiliana oder die widerrechtliche Ausübung der Astronomie | Maximiliana or the Illegal Practice of Astronomy. Detail, Blatt 14 der Mappe mit 34 meist farbigen Aquatinta-Radierungen, Paris 1964. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.
Text: „Trauungen Geburten Sterben / zeigten meine Glocken an / Teilnahmsvoll folgt ich der herben / und der freudgen Schicksalsbahn / an des sonntags heilgem Morgen / lud ich die Gemeinde ein // Gross und klein was sonst verborgen / kam der Andacht sich zu weihn / aber auch wenn Feuerschrecken / leuchtete in dunkler Nacht / ward durch schrilles Glockenwecken / Rettung in der Not gebracht“ (im Original alles in Großbuchstaben).


Meret Oppenheim (1913–85): Caroline. Detail, 21 Farbradierungen, 2 Prägedrucke und 23 Gedichte von Meret Oppenheim. Levy Galerie, Berlin.
Text. „Verlassen, vergessen – / So schwarz am Haferstrand. / Ich will die Zeit nicht messen, / Die diesen Schmerz erfand. // Die gelben Wellen schlagen / Das neue Netz entzwei. / Sie kommen, gehn und sagen: / Das arme Allerlei!“

Aus der Lese- und Hörecke habe ich mir dieses Buch bestellt:



Alastair Brotchie (Zusammenstellung) und Mel Gooding (Hg.): A Book of Surrealist Games. Boulder, Colorado: Shambhala 1995.



Toyen (Marie Čermínová, 1902–80): Stimme des Waldes I | The Voice of the Forest I. Öl auf Leinwand, 1934. Moravian Gallery in Brno.


Max Ernst (1891–1976): Düsterer Wald und Vogel | Dark Forest and Bird. Öl auf Leinwand, 1927. Sammlung Ulla und Heiner Pietzsch, Berlin.


Ders.: Die Obskuren | The Obscurers. Illustration für: „Paramyths“, Beverly Hills 1949, S. 31, zusammen mit dem handschriftlichen Manuskript der deutschen Fassung, 1948. Privatsammlung.


Ebd., Detail.


Richard Oelze (1900–80): Baumtraum | Tree Dream. Öl auf Leinwand, 1948. Museum Kunstpalast, Düsseldorf.


Isabel Rawsthrone (1912–92): Nachteule | Night Owl. Öl auf Leinwand, ca. 1950. Centre Pompidou, Paris, Musée national d’art moderne / Centre de création industrielle, Schenkung Evelyn Nicholas 2022.


Suzanne Van Damme (1901–86): Anthropomorphes Vogelpaar | Pair of Anthropomorphic Birds. Öl auf Holz, 1944. RAW Collection.


Meret Oppenheim (1913–85): Tisch mit Vogelfüßen | Table with Bird’s Feet. Bronzebeine und vergoldete Holzplatte, 1939/83. Levy Galerie, Berlin.

Vom „Wald“ hinauf in den „Kosmos“:


O. A.


Philipp Otto Runge (1777–1810): Zusammenstellung der Farben nach der Harmonielehre. Detail, gefärbte Papierstreifen (Faksimile), 1809. Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett. S. in der Onlinesammlung.
Titel: „Auflösung der disharmonischen Wirkung.“
V. l. n. r., o. n. u.: „Beruhigung oder Trennung der Disharmonie, durch Indifferenz. / Vergrößerung der Disharmonie durch die dritte Farbe. / Schwächung der Disharmonie durch einen Übergang oder Product.“, „Indirecte harmonische Contraste zweyer Mischungen.“, „Auflösung disharmonischer Wirkungen, durch indirecte harmonische Contraste zweyer Mischungen, in einen harmonischen Accord.“


Jacqueline Lamba (1910–93): Hinter der Sonne | Behind the Sun. Öl auf Leinwand, 1943. Rowland Weinstein, Courtesy Weinstein Gallery, San Francisco.


Joan Miró (Joan Miró Ferra, 1893–1983): Hund den Mond anbellend | Dog Barking at the Moon. Öl auf Leinwand, 1926. Philadelphia Museum of Art, A. E. Gallatin Collection 1952.


Toyen (Marie Čermínová, 1902–80): Traum | Dream. Öl auf Leinwand, 1937. Kunsthalle Prag.


Max Ernst (1891–1976): Rotes Seestück | Red Seascape. Öl auf Leinwand, 1928. Privatsammlung.


Raoul Ubac (Rolf Ubach, 1910–85): Versandete Körper | Sanded Bodies. Silbergelatineabzug, 1939. Centre Pompidou, Paris, Musée national d’art moderne/ Centre de création industrielle, Schenkung des Künstlers 1976.


René Magritte (1898–1967): Die Gestalten der Nacht | Figures of the Night. Öl auf Leinwand, 1927. Sprengel Museum Hannover, Kunstbesitz der Landeshauptstadt Hannover.




Annabelle Görgen-Lammers (Hg.) (2025): Rendezvous der Träume: Surrealismus und deutsche Romantik. Ausst.kat. zur gleichnamigen Ausstellung, Hamburger Kunsthalle, 13.6.–12.10.2025. Berlin: Hatje Cantz.


Im Eck:

Bis zum Jahr 2040 soll die Hamburger U5 fertiggestellt werden und mit 23 Haltestellen vom nordöstlichen Bramfeld über Steilshoop, Barmbek Nord und Stadtpark und dort ab Borgweg mit einem Schlenker runter über Winterhude und Uhlenhorst in die Innenstadt gen Hauptbahnhof und Uni und wieder hoch übers UKE und dann in den Nordwesten zum Volkspark führen. Der erste Bauabschnitt, Bramfeld bis Borgweg, wird aktuell gebaut und soll 2033 freigegeben werden. Die zugehörige Infoseite der Hochbahn nennt sich schneller-durch-hamburg.de.



Für die Planung der Station des Hauptbahnhofs kann man sich momentan unterirdisch die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs ansehen. Diese hängen in einer Plakatklebung unten vor dem Ausgang beim Intercity Hotel (U2 Richtung Kunsthalle). Den Zuschlag hat das Hamburger Büro blrm Architek*innen gewonnen, das, so heißt es, mit Olafur Eliassons Licht-Spiegelkonzept die Fläche vergrößern möchte. Beim Blick auf die Trennwand von Gleisbett und Plattform muss ich daran denken, dass ein Freund vor Jahrzehnten, als die Sicherheitsbarrieren in Beijinger U-Bahnen Standard wurden, meinte, jetzt würden sie einem nicht einmal mehr diese Option zum Selbstmord gewähren. Etwas makaber, selbst in Anbetracht autonom fahrender Bahnen, ging es ihm jedoch hauptsächlich um die Entmündigung mit der Argumentation der alles andere ausblendenden Sicherheit. Für mich persönlich heißt das: 2040 werde ich 60 Jahre alt sein und vielleicht nicht mehr durch sich gerade schließende Türen springen wollen, um noch schnell eine Bahn zu erwischen.


Quelle: blrm Architek*innen, 16.7.2025.


Das Bucerius Kunst Forum zeigt Sean Scully: Stories, 27.6.–2.11.2025.


Sean Scully: Air Cage 2. Cortenstahl, 2024. Privatsammlung.


Die Deichtorhallen stellen Katharina Grosses: Wunderbild aus, 5.6.–14.9.2025.

Auf die 3000 Quadratmeter mit einer Länge von 60 Durchgangsmetern war ich sehr gespannt. Auf Fotos sieht es beeindruckend aus, wie ein begehbarer, farbexplodierter Landschaftsgang, je nach Wetterbedingungen lichtdurchflutet, von vorne und hinten offen. Die Schlagwörter lauten: Materialumwandlung, Perspektivverschiebung, Ebenenüberlagerung, Monumentalität, Farbintensität, radikale Materialität und Körperlichkeit, Verbindung von Malerei, Skulptur und Installation, Überschuss und Überfrachtung – die Medien überschlagen sich vor Bewunderung. So wie der Name „Wunderbild“ Erwartungen aufbauscht, die Deichtorhallen Yoga- und Meditationssitzungen in situ anbieten, so wirkte das Ganze auf mich, und zu meiner großen Enttäuschung, leider weitgehend dekorativ und in manchen Farbüberlappungen sogar unschön. Die besprühte Steinformation im hinteren Raum mochte ich, empfand dafür aber die beengte Fläche als unpassend, vor allem im Zusammenspiel mit den von Grosse so benannten, auch hier: leider hingeworfen wirkenden Atelierbildern.


Katharina Grosse: Wunderbild. 2018 für die National Gallery Prague hergestellt (Titel: Wunderbild, 20181), 14,50x54,93x6,89m x2, Acryl auf Tuch, 16.2.2018–31.3.2019.








Atelierbilder: o.T. | Studio Paintings: untitled. Acryl auf Leinwand, 2005–24.


Detail, O. A.


Claudia Müller: Katharina Grosse: The Process. Dokumentarfilm, 30 Min., o. A.


Der Verbund Kunstmeile Hamburg zeigt als Projekt 24 Flaggen, mit Than Hussein Clark, Özgür Kar und Ketuta Alexi-Meskhishvili, 24.6.–20.10.2025.


Hier: Than Hussein Clark vor den Deichtorhallen.


Quelle: Kunstmeile Hamburg, 16.7.2025.


Seit Oktober 2024 hat die Stadt Hamburg wieder eine Stadtkuratorin ernannt; gefördert von der Behörde für Kultur und Medien, getragen vom Kunsthaus Hamburg, ist die Stelle dieses Mal auf fünf Jahre angelegt. Den Titel der Stadtkuratorin Hamburg trägt: Joanna Warsza. Die fünf Jahre will sie den fünf Elementen widmen: Kosmos, Feuer, Luft, Erde und Wasser. Der Titel ihrer sommerlichen Auftaktreihe lautet: „From the Cosmos to the Commons – Vom All zum Allgemeingut“, 20.6.–24.8.2025.

Im Planetarium läuft die historische, von Aby Warburg (1866–1929) konzipierte Ausstellung Bildersammlung zur Geschichte von Sternglaube und Sternkunde, die kurz nach Warburgs Tod 1930 zur Einweihung des Planetariums eröffnet wurde, später bis 1987 als verschollen galt und nun erstmals wieder gezeigt wird – wie damals im heutzutage normalerweise nicht öffentlich zugänglichen Kesselsaal; Aby Warburg in Zusammenarbeit mit Gertrud Bing und Fritz Saxl, kuratiert von Uwe Fleckner, 21.6.–24.8.2025.




Kesselsaal.


Installationsansicht, Ausschnitt.


O. A.

Die folgenden Angaben sind Details aus den Texttafeln von Aby Warburg.


Der Große Bär. O. A.
Text: „Wie verschiedene Völker dasselbe Sternbild – den Großen Bären – ‚beseelt‘ oder als Gegenstand gedeutet haben.“


Schöpfungsmythe der Osagen ([Native Americans] westlich vom Mississippi). Detail, o. A.


Weltbild der Tschuktschen (Nomaden in Ostsibirien). O. A.


Sternhimmelzeichnung eines [Indigenen] vom Rio Negro (Nordbrasilien). O. A.


Sternzaubertafel aus Ninive. O. A. London, Britisches Museum.


Der Weg der Sonne vom Aufgang zum Untergang. Bild zu einem Sonnengesang aus dem sogenannten Totenbuche. O. A.


Gottvater trennt das Licht von der Finsternis. Zeichnung nach einem verlorengegangenen Wandgemälde aus der Basilika des heiligen Paulus in Rom, 5. Jh.


Luther und die „Große Konjunktion“. Johannes Lichtenberger, Prognosticatio, Mainz 1492.
Text: „Als der von Lichtenberger seit 1488 vorausgesagte Prophet wurde Luther angesehen, trotzdem weder die Angaben über das Geburtsjahr noch über seine Schicksale auf Luther zutrafen. – Die Beischriften des Prophetenholzschnitts in dem Druck der Hamburger Staatsbibliothek lauten ausdrücklich: ‚Dyth is Martinus Lutter‘ und ‚Philippus Melanton‘.“
Man beachte den kleinen Teufel oder Dämon auf der Schulter des Propheten.


Einer von zahlreichen Holzschnitten aus der zweiten Hälfte des 15. Jh., mit deren Hilfe, so heißt es, „die Anschauungen von den Planeten und ihrem Einfluß auf den Menschen […] volkstümlich dargestellt und weithin verbreitet“ wurden. „Für wenig Geld konnte sich ein jeder nun das Bild ‚seines‘ [und eine jede ‚ihres‘] Planeten kaufen und in Bilderschrift lesen, welcher Art das Wesen der Menschen sei, die unter diesem Planeten geboren sind.“
Mit diesem Krebs hier wünsche ich allen dieses aktuellen Sternzeichens einen entsprechenden Monat mit Trinkkalebasse und Blumenstrauß, mit Spiel und Wasserspaß und besonders: mit Baumkletterei.


Max Adolph Warburg: Der Mensch zwischen Dämonenfurcht und wissenschaftlicher Betrachtung. Detail, zweiteilig, 194x209cm, Öl auf Leinwand, 1929.
Max Adolph Warburg (1902–74), der Sohn von Aby Warburg, emigrierte 1937 in die USA. Beide sind auf dem Friedhof Ohlsdorf begraben.


Installation der Schaukästen von Aby Warburg.


Schaukasten: Detail, o. A.


Ebd., Detail.


Schaukasten: Kulturraum des Sonnengottes Mithras. Nach dem Mithraeum von Ostia (Italien), 2. Jh. n. Chr.


Babylonische Siegelzylinder. O. A. Siegelzylinderabdrücke aus den Staatlichen Museen, Berlin.


Sonnenaltar aus Palmyra (Syrien). 3. Jh. n. Chr. Rom, Kapitolinisches Museum.
Für diese der vier Seiten, Text: „Das Sonnenantlitz des Mittags, mit dem Adler als Himmelssymbol unter sich.“


Gebet an den Sonnengott (aus Mittelamerika). Berlin, Museum für Völkerkunde.

Dazu ebenda neue Arbeiten:


María Edwards: Constellations of the Commons: A Diorama. O. A., 2025.


Ebd., Detail.


Eske Schlüters: Still Written in the Stars. HD-Video synchronisiert mit 2 Diaprojektioren, Ton, 12 Min., 2013/14.


KITE: Iktómiwiŋ (A Vision of Standing Cloud). O. A., 2023/25.


Raqs Media Collective: Blood Moon; A Day in the Life of Kiribati. O. A., 2024/25, 2014.


Timo Nasseri: Unknown Letters. O. A., 2015–2025.


Von der Aussichtsplattform des Planetariums.


Weiter geht es im Stadtpark mit einer (imaginären?) Konstellation von einem guten Dutzend zeitgenössischer Arbeiten, die zu Aby Warburg Position beziehen, kuratiert von Joanna Warsza, 21.6.–24.8.2025.


Quelle: Stadtkuratorin Hamburg: Stadtpark, 16.7.2025: Luftaufnahme Planetarium Hamburg im Stadtpark © Falcon Crest Air/ Planetarium Hamburg; Konstellationsdiagramm © José Délano.

Unter den angegebenen Links der Kunstwerke finden sich die genauen Standorte auf Google Maps.


Von der Aussichtsplattform des Planetariums aus: sieht man drei der Arbeiten.



Heidi Voet: Hydra & the Orange Giant. O. A., 2025.
Im Amphitheater die beste Arbeit.


Ebd., Detail.


Ebd., Detail.


Salwa Aleryani: Shadows Cast. Menschliche (analemmtische) Sonnenuhr, Keramik und Messing, glasiert, Detail, 2025.


Ebd., Detail.


Olu Ogunnaike: A Good Neighbour? O. A., 2025.


Shahira Issa: Time Hid in the Sun. Klanginstallation in drei Akten, 25 Min., 2025.


Agnes Denes: Sunflower Field. O. A., 2025.


Ebd., Detail.
Text: „Manifesto // Arbeiten mit einem Paradoxon / Unfassbares beschreiben / Unsichtbares sichtbar machen / das Unmittelbare mitteilen / gesellschaftlich anerkannte Einschränkungen nicht akzeptieren / auf neue Art und Weise sehen / für den Bruchteil einer Sekunde leben und Lichtjahre durchdringen / Intuition durch Intellekt und Instinkt / das Erreichen von totalem Selbstbewusstsein und Selbsterkenntnis / schöpferisch obsessiv sein / hinterfragen, überlegen, analysieren, sezieren und überprüfen / die Endlichkeit der menschlichen Existenz begreifen und dennoch nach Schönheit und herausfordernden Schlußfolgerungen streben / neue Konzepte finden, neue Muster erkennen / den Wunsch, um die Bedeutung oder Unbedeutsamkeit der Existenz zu wissen / die Realität anzuerkennen und dennoch träumen zu können / auf der ewigen Suche zu bestehen // Agnes Denes, 1969“.


Sibylle Peter, Felix Jung: A Sculpture to Be Seen from the Sky. O. A., 2025.


Hoda Tawakol: Cosmic Womb. Detail, o. A., 2025.


Xul Solar: Tarot Deck. 12 Karten, 1953/54.
Die Karten sollen jeweils Do–So, 14–18 Uhr ausliegen, am Donnerstag, 17.7. gegen 16 Uhr, waren sie nicht (mehr?) vorhanden.


Eine weitere Serie soll im Spätsommer unter dem Namen Gegen-Denkmäler starten und Kunst im öffentlichen Raum aufgreifen.





Im MARKK läuft Bakuba Kunst: Geometrie des Lebens, 7.3.–3.8.2025.

Zur Geschichte und Kunst des Königreichs Kuba seit dem frühen 17. Jahrhundert, in der heutigen Demokratischen Republik Kongo liegend, und zur „Entwendung“ durch den deutschen Ethnologen Leo Frobenius (1873–1938) und dem Versuch einer „Rematriierung“, also über die Restitution hinaus die „Wiederbelebung von Wissen und kulturellen Praktiken“; „Bakuba“ sind die Menschen des Königreichs Kuba, übersetzt: die „Menschen des Blitzes“ (Wandtexte).


Mbora Veronique, Katayi Mbuyi Veronique, Ngokadi Agnes, Ishende Isabel, Ishende Dorothee Jocelyne, Mbawoto Rachel, Roger Kwete Ishamalengue, Lobo Kwete Hyppolite, Emmanuel Minga Minga, Kwembuek Rene: Kabuayi Dîîn Bi. Raphia-Textilkomposition, futur-velours.com, 2024. Eigentum der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen, Ankauf für das MARKK 2024.


Nkanka Kathy, Ishende Dorothee [Jocelyne?], Mudibu Georceline: Mgelambine | Haus der Königinnen | House of Queens. Raphia-Textilkomposition, futur-velours.com, 2024. Eigentum der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen, Ankauf für das MARKK 2024.


Undokumentierte·r Künstler·in der Kete Nasaï-Region: Bwoom-Maske | Bwoom mask. Holz, Messing, Stoff, Glasperlen, Kaurischnecken, Demokratische Republik Kongo 19. Jh. Ankauf von Leo Frobenius 1906, MARKK.


Undokumentierte·r Künstler·in der Kete Nasaï-Region: Mulwalwa-Maske | Mulwalwa mask. Holz, Pflanzenfasern, Farbe, Demokratische Republik Kongo 19. Jh. Ankauf von Leo Frobenius 1906, MARKK.


Ebd., Detail.
Die hervorstehenden Augen erinnern an die Funde aus Sanxingdui.


Leo Frobenius (Foto): Ordnen der Kulturgüter in Ibanshe im Kuba-Königreich | Arranging the cultural objects in Ibanshe, in the Kuba kingdom. Demokratische Republik Kongo 1904–06. Fotoarchiv des Frobenius-Instituts, Frankfurt, Reg.: FoA 01-2229.


Ders.: Frobenius Polizeitruppe | Frobenius’ police force. Demokratische Republik Kongo 1904–06. Fotoarchiv des Frobenius-Instituts, Frankfurt, Reg.: FoA 01-2304.

Was ich hier nicht verstehe, ist die unterschiedliche Herangehensweise von Unkenntlichmachung und Kenntlichlassung der Personen auf den Fotos.




Vortrag und Gespräch mit Adom Getachew (rechts im Bild): „Pan-African Worldmaking“: Globales Denken für die Zukunft, moderiert von Gabriel Schimmeroth (links im Bild), 12.6.2025. Der Titel beschreibt: Weltgestaltung als Imagination inklusive Konstruktion aus Sicht des Panafrikanismus, dem Denken aus Afrika – einer Bewegung zur politischen, sozialen und kulturellen Einheit aller Afrikaner·innen und Menschen afrikanischer Abstammung weltweit, als Antwort auf Kolonialismus, Rassismus und Imperialismus zur Förderung von Selbstbestimmung und Entwicklung.

Vgl. Adom Getachew (2022 [2019]): Die Welt nach den Imperien: Aufstieg und Niedergang der postkolonialen Selbstbestimmung (Original: Worldmaking after Empire: The Rise and Fall of Self-Determination). Übersetzung: Frank Lachmann. Berlin: Suhrkamp.

Beispielhaft zeigte Adom Getachew einige Arbeiten:


Yinka Shonibare (*1962, London): Scramble for Africa. 132x488x280cm, 14 life-size fiberglass mannequins, 14 chairs, table, Dutch wax printed cotton, 2003. Commissioned by the Museum of African Art, New York, Collection of Guggenheim Abu Dhabi.


Yto Barrada (*1971, Paris): Tectonic Plate. 48x78.75in., wood, paint, 2010. Deutsche Bank Collection, Frankfurt.


Mwangi Hutter (Ingrid Mwangi, *1975, Nairobi, und Robert Hutter, *1964, Ludwigshafen): Static Drift. 127x185.5cm, two chromogenic color prints, 2001. The Art Institute of Chicago, Photography and Media Gala Endowment Fund 2021.


Lübeck figürlich


Die Figuren links: Klugheit, und rechts hinter Blättern: ein römischer Krieger.

Vom Lübecker Bahnhof geht es in die Innenstadt über die sogenannte Puppenbrücke – die, laut Hinweisschild „ehemalige äußere Brücke vor dem zweiten Vortor des Holstentores“. Die „allegorischen Standfiguren und Vasen“ seien für den Neubau 1907 von der alten Brücke von 1774–76 übernommen worden, aus Sandstein angefertigt von Dietrich Jürgen Boy. Online liest man allerdings, dass es sich inzwischen um Nachbildungen aus Kunststein handle und die Originale im St.-Annen-Museum zu finden seien.


Rechts: Neptun, und links: Eintracht.

Warum die Lübecker diese Figuren, dokumentiert seit dem späten 18. Jahrhundert, als „Puppen“ bezeichnen, mag an ihrer dynamischen Haltung liegen – oder doch daran, dass diese Brücke auf dem Weg zum Puppentheater liegt, das man sich bereits damals erträumte?



1977 eröffnete Fritz Fey sen. das Marionettentheater im Lübecker Kolk; 1982 gründete sein Sohn Fritz Fey jun. dazu das TheaterFigurenMuseum – und aus dieser Sammlung heraus eröffnete 2025 nach siebenjähriger Bauzeit schließlich das KOLK 17 Figurentheater & Museum.






Ansicht der Gebäude von der St. Petri Kirche aus.




Eröffnung des Theaters am 21.3.2025, dem Internationalen Tag des Puppenspiels, in der St. Petri Kirche, links mit Silke Technau.










Text: „Ich glaub’s nicht!!!“

Doch, doch: Auch das Museum sollte fertiggestellt werden:


Eröffnung des Museums am 28.6.2025 mit Dr. Antonia Napp, Geschäftsführerin von KOLK 17, und Korkut Demirag, vom ausführenden Architekturbüro Demirag Architekten.


Der Chinaraum mit Eisenstabfiguren aus Chaoshan.


Ebd.


Der Baliraum.


Marionetten in einer Zwischenebene.


Das Todesschiff.


Links: Handpuppen.

Ins Museum muss ich wenigstens noch einmal für ordentliche, nicht Handyfotos. Es ist aber so oder so unbedingt einen Besuch wert!



Mehr Vielfalt verspricht auch das Museum für Natur und Umwelt mit Fantasie und Vielfalt: Nordamerika in der Sammlung der Kulturen der Welt, 14.6.2025–4.1.2026.


Seebüll expressionistisch



Das Nolde Museum Seebüll zeigt seit 1957 jährlich eine Auswahl der über 5000 Arbeiten umfassenden Sammlung von Emil Nolde (1867–1956).

Die Gesamtanzahl der Werke entstammt der Ankündigung des Werkverzeichnisses, Nolde Stiftung Seebüll, 2023.

Tatsächlich begann die Aufarbeitung zur Rolle Emil Noldes im Nationalsozialismus erst 2013 – thematisiert werden sein seit 1940 „steigender Antisemitismus“ und „ungebrochener Zuspruch zum Regime“: Seit 1933 erhoffte Nolde, als Staatskünstler anerkannt zu werden. Dafür wird er Mitglied der Nationalsozialistischen Arbeitsgemeinschaft Nordschleswig und biedert sich mit Briefen an NS-Funktionäre an, nachdem zahlreiche seiner Bilder als „entartet“ beschlagnahmt wurden. Die offizielle Ablehnung seiner Kunst durch die Nazis wird nach Ende des Zweiten Weltkrieges „in Noldes Entnazifizierungsverfahren als ‚Absage gegen das Regime‘ gedeutet“, er „bereinigt […] kompromittierende Passagen“ seiner Autobiografie, erhält Auszeichnungen und Ehrungen und die testamentarisch verfügte Gründung einer Stiftung eröffnet ein Jahr nach seinem Tod 1957 die erste Jahresausstellung: „Die Stiftung führt die vom Künstler nach 1945 begonnene Legendenbildung fort.“ Der „Opfermythos wird durch den Roman ‚Deutschstunde‘ von Siegfried Lenz [1968], zumeist als Nolde-Biographie gelesen, zusätzlich befeuert.“ (Aus den Wandtexte, mehr hier.)



Das 1927–37 von Ada und Emil Nolde errichtete Wohn- und Atelierhaus ist nun ihr Museum. Jede Nische in eigener, meist leuchtender Farbe, sind im Erdgeschoss die Wohnräume zu sehen.



Ein paar Stufen ins ehemalige Atelier hinunter sind einige Bilder dauerhaft ausgestellt:


Das Leben Christi. Polyptychon, 238x631cm, Öl auf Leinwand, 1911/12.

Dann geht es hoch in die diesjährige, die 69. Jahresausstellung Emil Nolde: „Malermensch“ in Berlin, 1.3.–31.10.2025.

Da fährt man ins platte Land, um Noldes Umgang mit der Gegend vor Ort zu sehen – und landet in den 1920er Jahren Berlins. Dieser Aspekt war ehrlich gesagt ein bisschen schade, ein paar Nordansichten waren aber auch dabei:


Haus am Walde. 1908.


Ocean. 1947.


Landschaft mit rotem Heck. 1925.


Herbstglühen. 1925.


Tänzerin und Harlekin. 1920.


Revolution. 1917.


Selbstbild. 1917.


Dieses Jahr erstmals mit Begleitausstellung, zu Gast in Seebüll – hier tatsächlich vorrangig mit Landschaften: Anselm Kiefer: Wasserfarben, 7.5.–31.8.2025.


Solaris. Aquarell auf Papier, 2013. Anselm Kiefer, courtesy Galerie Bastian.


Aller Abende Tag. Aquarell auf Papier, 2014. Anselm Kiefer, courtesy Galerie Bastian.


Erde – Himmel. Aquarell, Gouache, Kugelschreiber auf Papier, 1972. Anselm Kiefer.


Stein der Weisen – für Julia. Aquarell auf Papier, 1972. Anselm Kiefer.

Sehr sehenswert war der knapp einstündige Dokumentarfilm, der im Neubau in einem Raum neben Kiefer lief.


Der Garten:





Der Garten im Allgemeinen und dieses Beet im Besonderen und in Gelb sollen im Hochsommer in vollster Pracht stehen:






Seebüll gehört postalisch zu Neukirchen. Man kommt gut mit dem Bus aus Klanxbüll hin, einer Haltestelle der Strecke Altona–Westerland. Eigentlich wollten wir auf Sylt übernachten – erst Kunst, dann Nordseewind –, aber das Pfingstwochenende bot, wenn überhaupt, nur überteuerte Unterkünfte. Deshalb landeten wir in Niebüll. Die ganzen „-bülls“ in der Gegend um Südschleswig, und im angrenzenden Dänemark mit „-bøl“, deuten auf ehemalige wörtlich: Wohnstätten, Siedlungen. Zahlreiche sollen einem Personennamen als Bestimmungswort folgen. Insofern folgt hier ein Kleinstadtblick in die ehemalige Siedlung der Familie Nie:



In der vom Bahnhof abgehenden Straße in Niebüll, in der wir unterkamen, verwunderten uns die zahlreichen, langjährig gepflegten Heckenschnitte. Interessant, womit man sich alles beschäftigen kann.




Und ein Aquarium in einem aufs penibelste angelegten Teich war mir auch noch nicht untergekommen.

Aber es wurde glücklicherweise auch etwas skurril, s. das links neben der Liege hängende Skelett:



Tatsächlich hat Niebüll sogar ein Museum für moderne Kunst zu bieten, das sich auch Richard Haizmann Museum nennt, nur leider geschlossen war:



Kleine Schmankerl boten außerdem örtliche Angebote wie dieser Ofenanbieter mit genau „mehr als 36 KaminÖfen“:



Und die nostalgische, aber noch fahrende Verbindungsbahn zwischen Niebüll und dem kurz hinter der Grenze gelegenen dänischen Tønder:





Ein Abend in Niebüll reichte uns für einen Einblick, ein Essen. Morgens kommt man alle halbe Stunde weiter nach Westerland.

In Noldescher Manier schließt sich der Kreis, wenn man den Bus von Westerland nach Kampen nimmt, um am Strand vom Roten Kliff gen Süden zu laufen: Vor genau einem Jahr, an Pfingsten 2024, wurden im Kampener Pony Club rassistische Parolen gegrölt und Hitlergrüße veranstaltet – Pfingsten 2025 findet sich am Eingang eine kleine Tafel mit einem, nicht wörtlich, aber so ähnlich: Feiert schön, wir bitten um Respekt. Es scheint, als wolle man das übliche Klientel nicht verprellen, denn ansonsten werden in der Proletenmeile weiterhin alle Klischees bedient, pastellene Polohemden laufen neben Perlengehänge vor blinkenden Sportkarren. Reichtum kann so offensichtlich widerlich sein. Achja, die Ermittlungen wurden eingestellt.

Blümchen gefällig, Rotes Kliff?








Büdelsdorf unpolitisch



Texte zur Kunst: Exhibition Politics. Heft 138, Juni 2025.

Ganz im Einklang mit gegenwärtigen Ausstellungspolitiken, wie sie in der aktuellen „Texte zur Kunst“ beschrieben werden, zeigt sich die NordArt: unpolitisch. Soll heißen, bevor man in ein politisches Fettnäpfchen treten könnte, erzähle man lieber, man wolle sich mit menschlichen Befindlichkeiten im Allgemeinen oder ähnlich diffus ausgedrückt beschäftigen. Die standardgemäße Schere im Kopf im Umgang mit China, wenn man offizielle Fördergelder von drüben einholt, ist in der norddeutschen Ebene angekommen. Nicht, dass es auf der NordArt 2024 politisch zuging, aber zumindest war sie nicht so explizit unpolitisch wie dieses Jahr.

Positiv hervorzuheben ist, dass der diesjährige Auftritt sortierter wirkt – immer noch nicht durchkuratiert, aber auch nicht mehr wie eine hauptsächlich dekorative Verkaufsschau.

Unsere Publikumswahl ging an:


Ronen Sharabani (Israel): Elements Set #1 & Set #2. Filmstill, video, 2017.


Ders.: Triple Land. Detail, filmstill, video projection on sand, 2021.


Ebd., Detail, filmstill.


Ders.: Virtual Territories #1. Detail, 2 parts, digital print, 2017.


Ders.: Journey to Jerusalem | Reise nach Jerusalem. Detail, filmstill, video projection, 2014.


Ebd., gegenüberliegende Seite: Ring | Kreis. Filmstill, video projection, 2015.


Ebd., Detail, filmstill.

Möglicherweise ist die Aufnahme eines israelischen Künstlers und keines einer oder eines palästinensischen ein indirektes politisches Statement. Sonst kann die folgende Zwangsjacke aus der Türkei als solches gelten:


Gönül Nuhoğlu (Turkey): Debris | Trümmer. Polyurethane cast, 2025.


Ozan Dursun (Turkey): Fragments I. Wood, metal, 2025.


Christoph Jakob (Germany): DIY -arcadia-. 50 parts, basalt, split, 2024–25.



Paul Critchley (Great Britain/ Italy): Carrer Rauric 12. Oil on canvas on hardboard panel, 1988.


Diego Palacios (France/ Chile/ Germany): Big Feast | Großes Festmahl. Oil on canvas, 2022.


Madeline von Foerster (USA/ Germany): Lost in the Lumber Forest | Verloren im Nutzholzwald. Oil and egg tempora on panel, 2024.


Adina Tulai (Romania): Bloom | Blüte. Oil on canvas, 2024.



Battogtokh Turbat (Mongolia): Queens of Mongolia. Cow, camel and horse scapula, mixed media, 2022–25.


Park Inkyu (South Korea/ Germany): The Thinker. Mixed media, 2019.


Zayasaikhan Sambuu (ZAYA, Mongolia): Mothers of Invasion. Detail, acrylic on canvas, 2020–23.


David Moješčik (MojDa, Czech Republic): Eve. Polyester, fiberglass, acrylic, 2023.


Ebd., Detail.


Jaroslav Drazil (Germany): Instinct | Trieb. Oil on canvas, 2024.


Hartmut Kiewert (Germany): Crossing V. Oil on Canvas, 2023.
Hat es da jemanden visuell nach Heiqiao verschlagen?


Sonderprogramm aus China:


Hallenansicht.


Yin Xiuzhen 尹秀珍 (China): Contemplative Thinking. 108 parts, textile, shoes, 2024.


Ebd., Detail.


Ebd., Detail.


Dies.: Tower of Sound. 2 parts, metal, nylon stockings, vehicle’s exhaust pipe mufflers, 2024.


Liu Ruowang 刘若望 (China): O. A.


Yang Song 杨凇: Halo. Detail, size variable, steel wire, mixed media, 2023.


Ebd. am Sockel ein Hinweisschild aus dem Beijinger Kunstviertel 798, inklusive Link der Aye Gallery | aye画廊. Der letzte hier auf dem Schild Satz lautet „你与光同在,光芒将照亮你的思想,点亮你的灵魂。“ , übersetzt etwa: „Du bist mit dem Licht, sein Schein wird deine Gedanken erhellen und deine Seele erleuchten.“ Auf unser aller Seelenheil! Wir standen zu viert, fünft davor, verdrehten etwas peinlich berührt die Augen und waren froh, dass hierzulande nicht viele Chinesisch lesen.


Yang Guang 杨光 (China): Landscape 04. Electronic waste, 2014/2022.


Xiang Jing 向京 (China): Your Body. Fiberglass, painted, 2005.
(An den Seitenwänden:) The End I–V. Detail, fiberglass, painted, 2000.
Kleine Anekdote zur sitzenden Dame: Als sie über Hongkong verschifft werden sollte, blieb sie solange im chinesischen Zoll hängen, bis die Künstlerin sie großformatig bekleidet hatte; sie war den Beamt·innen zu nackt.


Zhu Lin 朱林 (China): Great Heat. Corten steel, stainless steel, 2023.


Shan Fan 单凡 (China/ Germany): A Trace of a Moment – Cinnabar Bamboo | Spur des Moments. Lacquer paint on canvas, 2023.

Im Shop, um diesen großen Namen mit ins Verzeichnis aufnehmen zu können:


Xu Bing 徐冰 (China): Phoenix I–II. 2 parts, stainless steel, 3D print, beech wood, edition 100, 14.000 Euro, 2023.


Fokusprojekt Japan: „DO / d a t _ code“, kuratiert von Rainer Junghanns und Ralph Tepel:
Japanisch „do“ meint den Weg (das Dao) des Daoismus und zeigt Werke im „Geist Japans“ (Wandtext).


Maks Dannecker (Germany): Lightning of the Visual Space I–IV | Auflichtung des Bildraumes I–IV. Still, mixed media, 2025.


Anke Bär, Beate C. Koehler (Germany): (V. l. n. r., oben:) Dove #1; Magpie; Bird Skeleton; Blackbird; Venetian Oriole Chick. Ink on Wenzhou paper, photo transfer on Wenzhou paper, 2023.
(Unten:) Bird Messages | Vogelbotschaften: Pigeon #1; Magpie #2; Bird Skeleton; Blackbird; Venetian Bird Chick. 12–21 min., 2023.


Anke Bär, Beate C. Koehler (Germany): Bird Skeleton | Vogelgerippe.


Dies.: Bird Messages | Vogelbotschaften: Bird Skeleton | Vogelgerippe.


Moon Rohaizan (Malaysia): 40 Minutes. Detail, book dummy, 2025.


Ebd., Detail.


Projekt „Directions: Polen“:


Krzysztof Renes (Poland): Penetrator. Cast aluminium, 2024.


Tomasz Górnicki (Poland): Surface Tension | Spannung der Oberfläche. Concrete and steel, 2024.


Ders.: Digging in the Dirt | Graben im Dreck. Bronze, 2024.


Paweł Orłowski (Poland): Relevé. Bronze, patinated, 2022.


Im Skulpturengarten:


Krzysztof Renes (Poland): Universale 4000x5. Aluminium, 2025.


… Der draußen herumlaufende Künstler zeigte uns dazu seine Nanoversion.


Ebd., Detail.


Stefan Faas (Germany): (Links:) Anthropocor Lucia & Electra II. Corten steel, 2019.
(Rechts:) Anthropocor Titulus I. Corten steel, 2014.


Su Xinping 苏新平 (China): Walking Man. Bronze, 2025.
Sus Malerei war eigentlich gut, aber die habe ich zu fotografieren vergessen.


Michal Gabriel (Czech Republic): Buddha. Bronze, 2017–21.


Leung Hongman 梁康民 (China): Childhood Block. Fiberglass, 2025.




Großartig fanden wir am Bahnhof Neumünster diesen alten Anzeigekasten. Ein Bahnmitarbeiter meinte, es sei schlicht zu teuer, das Ungetüm aus den 1970ern abzureißen, deshalb stehe es noch am Gleis. Er könne sich schon vorstellen, dass die Technik noch intakt sei. Ob die noch jemand bedienen kann …?


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Wer noch Sommerlektüre braucht, denen und so oder so sei der Mitte Mai als Magazin herausgegebene Koalitionsvertrag empfohlen – auch super als Mitbringsel geeignet. Kann man wirklich mal lesen: Es handelt sich um den kompletten Text zur aktuellen 21. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages, grafisch aufbereitet und also angenehm lesbar, in der Hoffnung, dass wir vier Jahre lang nachschlagen können, was umgesetzt wird. S. Koalitionsvertrag als Magazin.



Oliver Wurm (Hg.): Koalitionsvertrag als Magazin. 2025.



Lag auch in Westerland auf Sylt am Bahnhofskiosk aus.


Und im Kiosk am Bahnhof in Bad Oldesloe.


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