Sonntag, 5. Januar 2020
2020 KW1: Frohes 2020!
Für 2020 habe ich mir überlegt, hier jede Woche einen kleinen Beitrag zu posten. Gerade beschäftige ich mich viel mit Kunstgeschichte und verwandten Themen. Zum einen lese ich wild in verschiedenste Richtungen, die im regelmäßigen Aufschreiben vielleicht am Zerfleddern aufgehalten werden können, eventuell sogar ein größeres Allgemeinschild schaffen; zum anderen möchte ich mit einem kurzen Abriss, manchmal wohlmöglich nur ganz grob oder kryptisch stenografisch, schnelle Gedanken am Verschwinden hindern. Dazu soll es jede Woche ein begleitendes Foto geben.

Zur Annäherung an die Gegenwartskunst frage ich mich etwa gerade, wie es zur modernen Kunst gekommen ist. Dafür versuche ich mich zunächst und für diese Woche an der abstrakten Kunst.




Gleich in der ersten Woche knirscht es gewaltig. Das Bild hier ist dadurch, dass es eventuell nicht entzifferbar ist, natürlich kein gutes Beispiel für abstrakte Kunst, sondern bleibt entweder ein aus der Hand gerutschtes oder auch ein betrunkenes Foto, aber doch das einzige, das meine Fotogalerie aktuell auszuspucken vermag. Der Text bleibt ebenfalls ein erstes Herantasten:

Abstrakte Kunst
Ein Verständnisansatz

Der im Mittelalter vorherrschenden Bedeutungsperspektive, also der proportionalen Objektgröße, folgte die Zentralperspektive der Frührenaissance (etwa 1420–1500) – Elger bezeichnet dies als den Wandel des Bildraumes „von einem idealistischen zu einem illusionistischen“, als „den Blick aus einem Fenster auf die sichtbare Welt“ (Elger: 7). Dieser habe darauf noch drei Jahrhunderte lang gegolten, bis zur Wissenschaft, Technik, Industrialisierung, Fotografie. Bis das Dargestellte in den 1910er Jahren nicht mehr in Gegenständlichkeit „reproduzier[t]“, sondern erstmals in verschieden verstandenen Wirklichkeiten als Verinnerlichung „repräsentier[t]“ wurde (Elger: 10). Das benötigte zunächst die Konzentration auf die Materialien an sich, in der Malerei auf Farbe, Leinwand, Pinselstrich. Form wurde wie Farbe heruntergebrochen auf ihre Elementarteile, ausgehend von Kreis, Dreieck, Linie, von Spektralfarben. Damit betrat man nach der vorherigen dritten Dimension der abgebildeten Illusion erst die zweite als reine Fläche und dadurch die vierte Dimension, in der sich Maler und Betrachter nicht mehr auf neutralem Standpunkt außerhalb befinden, sondern sich durch vielfältige „dynamische […] Blickpunkte“ (Elger: 14) mit Intuition in das Bild hineinziehen.

Die im Kubismus des Picasso begonnene Revolution der Malerei beschrieb ein chinesischer Maler folgendermaßen (Ma Ke, paraphrasiert): Die Augen würden nie gleichzeitig vorne und hinten sehen, oder innen und außen, etwas fehle immer. Picasso schaffe mit seinen Kuben bewegliche Elemente, die einem ein Tor in die mehrdeutige Realität ermöglichten, in den ganzheitlich betretbaren Raum der Sicht des Künstlers.


Dietmar Elger: Abstrakte Kunst. Köln: Taschen 2019 (2008).

Im Gespräch mit Ma Ke 马轲 im Oktober 2019, Beijing, im Nachklang zur großen Picasso-Ausstellung im Sommer 2019 im UCCA, 798, Beijing.


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