Freitag, 1. September 2017
Warum Beijing statt Peking


Peking ist die Umschrift von einem früheren Namen der Stadt, von Beiping, nördlicher Frieden, als die Ming- die Yuan-Dynastie ablöste (1368). Der erste Ming-Kaiser, Hongwu (1328–1398), verlegte damals seine Hauptstadt in den Süden nach Nanjing und änderte den Namen Dadu des vorherigen mongolischen Hauptsitzes in Beiping. 1408 ließ Kaiser Yongle (1360–1424) die Stadt so gut wie komplett neu erbauen, es entstanden etwa die Verbotene Stadt und die vier Tempelanlagen Himmelstempel, Erdtempel, Sonnen- und Mondtempel. 1421 zog er dann in seine neue Hauptstadt um und nannte sie Beijing, die nördliche Hauptstadt. Warum sich die bis heute nicht auszumerzende Transkription auf den alten Namen einer Zeit von gerade einmal 53 Jahren von damals vor knapp 500 Jahren bezieht, als sie nicht einmal Hauptstadt war, mag eine der historischen Mysterien im Schlund der Gezeiten bleiben. Durch Beiping wurde jedenfalls die auf Wade-Giles basierende Umschrift „Peking“ zum Ausgang der Qing-Dynastie vom Transkriptionssystem chinesischer Ortsnamen der chinesischen Post 1906 bewilligt und blieb, wohl da einmal offiziell festgehalten und so ins internationale Postwesen eingegangen, bis ins 20. Jahrhundert haften.

Das heute geläufige Transkriptionssystem Hanyu Pinyin, kurz Pinyin, wörtlich umgeschriebene Töne, also phonetische Umschrift, wurde 1982 registriert und gilt seitdem als internationaler Standard, in seiner zweiten Auflage mit ISO 7098:1991, zuletzt national 2012 revidiert (GB/T 16159-2012). Das System auf Basis des lateinischen Alphabets stammt von 1956 von Zhou Youguang und wurde 1957 genehmigt. Auch auf Taiwan gilt Pinyin seit 2009 als offizieller Standard – inwieweit es dort angenommen wird, ist fraglich, Taipei wird auf der Insel weiterhin nicht in Taibei umgeschrieben, wenn überhaupt, denn nach wie vor ist die Umschrift Bopomofo verbreitet (die nicht-lateinische, auf dem Festland 1921 eingeführte Umschrift Zhuyin).

Selbst innerhalb der Sinologie hat es eine gute Weile gedauert, bis sich die Umschrift Pinyin durchsetzte. Dass wir noch in den Nullenjahren des 21. Jahrhunderts mit dem angelsächsischen Transkriptionssystem Wade-Giles und mit den deutschen Systemen von Unger und Rüdenberg-Stange klassisches Chinesisch gelernt haben, liegt am Referenzapparat. So heißt es im Studium auch heute weiterhin, „Wade-Giles soll zumindest passiv beherrscht werden“, s. Universität Heidelberg, Institut für Sinologie. Wissenschaftlich gilt natürlich wie überall: Hauptsächlich einheitlich. Aber außer in Zitaten schreibt mittlerweile jeder in Pinyin um.

Im angloamerikanischen Raum spricht man Beijing längst nicht mehr in der romanisierten Version aus. Sprachen zu Romanisieren, ist der Versuch, sich ihnen mit seiner eigenen Sprache zu nähern – ehrenwert, aber oldschool und unnötig, wenn es eine offizielle Umschrift eines Landes gibt. Verwendet man dennoch die alte Fassung, bleibt ein kolonialer Beigeschmack übrig, weiter an Peking festhalten zu wollen. Deshalb möchte ich doch bitte dafür plädieren, Beijing statt Peking zu schreiben, zu sagen und zu denken – so wie bereits Guangzhou statt Kanton, Qingdao statt Tsingtao verwendet werden, Daoismus statt Taoismus, Konfuzius kann meinetwegen statt Kongzi in seinem alten Sud bleiben, bis er ehrlich reformiert wird. Auch PEK für den Flughafen wird nur noch von bzw. für Ausländern verwendet, in China heißt es BJS, Beijing shi, Beijing Stadt. Peking ist nicht nur die veraltete Version, sondern passt auch so gar nicht mehr zu dieser Stadt.

Und wer weiß, wie lange es Beijing überhaupt noch geben wird. Nach Xi Jinpings Verkündung von 2015 des städteplanerischen Großprojektes von Beijing hin zu Jingjinji, der Zusammenführung von Beijing, Tianjin und Hebei (nach dem Kfz-Kennzeichen Ji der ehemaligen Präfektur) zur Megametropolregion, kurz JJJ, bleibt hier seit Anfang 2017 kein Stein mehr auf dem anderen. Die Sehenswürdigkeiten dürfen bleiben, Touristen weiter kommen, ansonsten heißt es unter der Bevölkerung seither: Beijing soll verschwinden und nur noch Regierungssitz sein. Selbst die Vorzeigeuniversitäten Beida und Qinghua fangen fieberhaft an, sich um ihr Bleiberecht zu bemühen – wird schon, keiner glaubt an ihren Umzug, aber dass sie überhaupt aufjaulen müssen, alarmiert.

Gewähren wir der Stadt doch zumindest in ihren letzten Atemzügen noch ihren wirklichen Namen, bevor sie komplett zugemauert ist und ihre Bewohner zum Großteil vertrieben sind.




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