Dienstag, 25. Februar 2014
Unterwegs in deutschen Galerien


Der Andacht deutscher Museen überdrüssig, nahm ich mir nun die Galerien vor.

Berlin 柏林

Kunst in der vor nicht allzu langer Zeit als Galerienmeile bekannten Auguststraße scheint hier nun hauptsächlich für die Generation ausgestellt zu werden, die es sich noch leisten kann, in Mitte zu wohnen, also Kunst, die dieses Klientel in den 1970ern gut fand. Ein etwas merkwürdiges Konzept, höre ich doch von kunstinteressierten Senioren eher, dass sie sich entweder für antike Gegenstände begeistern – sehr erhellend in diesem Zusammenhang die Aussage von einer recht betagten Sammlerin, dass ihr die neuesten Sachen kaum mehr etwas sagten, sie sich dafür mit fortschreitendem Alter immer mehr in den Jahrhunderten zurückorientiere, ganz in der Steinzeit sei sie noch nicht angekommen, aber die ihr im Shanghai Museum präsentierten Reliquien der Hanzeit hätten ihr sehr gefallen. Andererseits möchte man, wenn es um zeitgenössische Kunst geht, doch nicht immer wieder den ganzen Kram stets auf Neue aufgewärmt bekommen, den man vor 40 Jahren für Avantgarde gehalten hat. Das Kredo der Galeristen scheint mir, durch Nostalgie die Scheine knistern hören zu wollen. Für mich war es nur für den ein oder anderen kostenlosen Wein auf dem Nachhauseweg gut.

Na, eins hat mir dann doch gefallen. In der Alfred Ehrhardt Stiftung die Ausstellung The Third Day von Henrik Spohler:





Gut war es in der Potsdamer Straße. Besonders lohnt sich der Hinterhof Nr. 77–87, denn dort gibt es gleich etliche Galerie auf einen Streich.





Am besten gefallen haben mir Galeria Plan B. Hier mit Adrian Ghenie und Navid Nuur: On the Road to … Tarascon:







Und Blain Southern:




Mit der Gruppenausstellung Analog.

Dann waren da noch …


Galerie Guido W. Baudach mit Erwin Kneihsl: Space Grey.





401 Contemporary mit Manuele Cerutti und anderem.


Emmanuelle Castellan und Luc Tuymans bei DMNDKT, was soviel wie Damned Kat (Katalysator?, hm …) heißen soll – auf jeden Fall ein non-profit Space.

Recht verstörend, …






… aber mutig, das letzte Bild konnte ich nur auf Abstand und durch Türen aufnehmen, in der Galerie Jiri Svestka Berlin.


Arratia Beer.

Besonders aufgefallen ist mir, dass viel Klangkunst mit den Ausstellungsobjekten einherging. Großartig vollbracht in der Galerie Mario Mazzoli, Potsdamer Straße 132, 2. OG, die Cèleste Boursier-Mougenot präsentierte:




In einem Raum befand sich ein flaches, rundes Wasserbecken, aus denen die Wellen der Klangschalen durch das gesamte, zur Galerie ausgebaute Apartment drangen. Mehrere Videoprojektoren warfen – ich würde sogar sagen im Livestream – übereinanderlappend die Bewegungen in einen Nebenraum. Wunderschön.

Weiter ein wenig wild unterwegs.


Egbert Baqué, Sinologe!, u. a., hat seine Contemporary Art Berlin mittlerweile in der Nähe vom Kurfürstendamm.





Morgen Contemporary, Ackerstraße 162:


Levke Leiss: Through the Looking Glass.

C/O Berlin zieht gerade ins Amerikahaus um, dafür gibt es vor den Toren Stellwände zu besichtigen. Man darf gespannt sein auf das neue Gewand und besonders sein Innenleben.



Eine Reise wert ist auch das Waschhaus in Potsdam, ein weitläufiges Areal, einst preußische Militäranlage.



Hier im ehemaligen Pferdestall lief gerade Mike Bruchner: Bruchstücke.

Wunderbar war es im Atelier von Friederike Ruff, deren gesamte Werkstatt wie ihre Arbeiten einen sehr erfrischenden Collagencharakter aufweisen.




Online besuchenswert ist ihr täglich wachsender Fragenkatalog Miracle Machine (wegen Wordpress leider nur über VPN zugänglich).

Angenehm zu durchstreifen sind immer wieder die Uferhallen. Neu dem aufkommenden Studiomangel entsprechend sind die Räumlichkeiten beim Weißensee, An der Industriebahn 12–16. Die Gentrifizierung machts möglich, dabei gibt es dort kaum mehr als ein Gewerbegebiet …




Aus dieser Halle allerdings kann man bestimmt was machen.


Hamburg 汉堡

Auch hier gehts in die Hinterhöfe, besonders lohnt es sich in der Admiralitätsstraße 71.

In der Galerie Mathias Güntner werden regelmäßig die von der Neuen Kunst in Hamburg geförderten Stipendiaten ausgestellt:




Sehr angetan war ich von den Arbeiten Adnan Softićs: On Site.

Dies war im Januar, im Dezember lief Gastspiel Rheinland:





In der Produzentengalerie Hamburg war von Olaf Metzel Kein Kommentar zu sehen:



Einmal im Jahr vor Weihnachten öffnet die Fotografin Pitt Sauerwein eine Woche lang den Petersburger Salon:





Beim Berliner Tor dann zeigte die Bräuning Contemporary Christine Schulz: California Calling 2:



Hier ein paar Bilder der Sammlung Falckenberg in Hamburg Harburg. Nur mit Führung und nach Anmeldung zu besichtigen, aber man kann sich gut loseisen und selbst die Ziehwände bedienen. Herrlich links. Lohnt sich.



Dazu lief gerade die große Ausstellung von Santiago Sierra: Skulptur, Fotografie, Film:


Berge (Hamburg). 1990.


Dies ein Foto vom Papst. Er selbst sah das große No nicht, nicht nur, weil er nach vorne schaute, das macht man als Papst eh nur im wörtlichen Sinne, sondern weil die Projektion ausschließlich im Moment des Auslösens der Kamera sowie nicht für das menschlich langsame, auch nicht das bewachend huschende Auge sichtbar wurde. Raffiniert. Mit der Technik des von Julius von Bismarck sogenannten Fulgurators.


Gemälde eines Feuerspuckers. 2003. Beim zugehörigen Film des Feuerspuckens wurde mir übel.


Haus im Schlamm. 2005.


Mit einem Lastwagenanhänger versperrte Straße. 1998.


50 kg Gips auf der Straße. 1994.


Capitalism. Etwas plakativ, aber ich fand die in einzelnen Videosequenzen abbrennenden Buchstaben trotzdem gut.


Klassenkampf.

Unten dann die Ziehwände.


Ena Swansea.


Ebd.


Ebd.


Daniel Richter.


Ebd.


Ebd.


Jonathan Meese.


Mike Kelley.


Martin Kippenberger.






Hanne Darboven: World Theatre >79>. 1979.


Walker Evans: Penny Picture Display. Ca. 1970.


Dirk Skreber: Jungbrunnen 3.0. 2004, Detail.

Im Anschluss kann man im Café Khan El Khalili bei dem Ägypter Achmed einen leckeren Minztee trinken – rauchen erlaubt, sehr wichtig für die kulturelle Kommunikation und mir mehr als recht – und sich seine Meinung zur aktuellen politischen Lage anhören. Summa summarum: Lasst uns Zeit, die französische Revolution ging auch nicht von heute auf morgen.



Ein wenig außer der Reihe, aber vielleicht zu der mir in Berlin aufgefallenen Zunahme von Akustik passend.

In den Schaukasten des nun wieder hinter die Staatsoper in seine alten Säle gezogenen Metropolis Kinos begab sich mit einer Stummfilmvertonung von Asphalt (Joe May, 1928) die Truppe Tuten und Blasen. Fast noch interessanter war das Hamburger Alt-68er-Publikum.



Auch die neue Haltestelle der U4 in der Hafencity springt auf den Zug von Farbspiel in Kombination mit Klang. Und nicht wie am Hauptbahnhof mit ultrahohen Frequenzen, um das Gesindel zu vertreiben.




Diese Messingplatten dazu, schon gut.



Jetzt aber erst mal byebye Hamburg, weiter gehts.


Düsseldorf 杜塞尔多夫

In Düsseldorf war ich an einem Montagnachmittag, die meisten Galerien hatten entsprechend geschlossen und ich sah von außen hinein. Fand ich gar nicht so schlecht, dadurch gibt es auf einigen Fotos innen und außen zu sehen.

Die Galerie Philine Cremer präsentierte Geographic Laboratory:


Daecheon Lee.


Soim Lee.

Van Horn zeigte Katie Holten:



Konrad Fischer ohne Fenster:



Galerie Ruth Leuchter:



Galerie Conrads:



Bei Petra Rinck war Ralf Brög zu sehen:






Köln 科隆

Zunächst machte ich mich auf Empfehlung auf zum Kolumba Museum. Die aktuelle Ausstellung klang vielversprechend, sie beschrieb sich als Ausstellung zur Ästhetik des Unsichtbaren: zeigen verhüllen verbergen. Schrein. Hatte aber leider geschlossen, weshalb ich draußen und um die anliegende Kirche Madonna in den Trümmern ein wenig herumschreinerte.









In der Nähe stand noch Adam Schall von Bell draußen herum.


Besonders in Köln ist mir die schiere Anzahl an unterschiedlichsten Papierschnitzelarbeiten aufgefallen. Das soll jetzt nicht gehässig klingen und ich kann mir sogar vorstellen, dass es in Deutschland gut ankommt, aber auf mich wirkt es doch ein wenig wie Fleißarbeit als, naja, Pausefüller?

Galerie Brigitte Schenk: Klaus Fritze:




Detail. China und so.





Galerie BiesenbachAnna González Suero: Köln 1.0:



Sehr mochte ich in der Galerie Kaune, Posnik, Spohr die Arbeiten von Todd Hido: Exzerpts from Silver Meadows:







Sieht aus wie chinesische Landschaftsmalerei, ist von Ascan Pinckernelle, zu sehen in der Galerie Gisela Capitain:





Galerie Stefan Röpke: Max Naumann:







Galerie Klaus Benden, nett von außen, innen im Umbau:





Mitte Januar gehts bei vielen erst wieder los, ich war etwas früh dran, deshalb lieber – schon etwas mit Kunst überladen, aber doch – weiter.




Stuttgart 斯图加特



Während weiter gebaut wurde, lief im Württembergischen Kunstverein Der Ungeduld, der Freiheit Gestalt zu geben.


Jakob Kolding: Untitled Balance Acts. 2013.


Klaus Staeck: Die Demokratie muss gelegentlich in Blut gebadet werden. 1973.




Das Lifschitz Institut.

Galerie Thomas Fuchs zeigte Sebastian Lettner: Palermo:


Gestaunt habe ich hier vor allem, dass bei der Eröffnungsfeier tatsächlich jedes Bild mit einem roten Kleber markiert war.

Das wars in Stuttgart. Von dort bin ich noch einmal um den Bodensee gefahren.

In Ulm auf den Münster geklettert.





In Bregenz im Vorarlberg Museum lief Tone Fink: Begreifbare Impulse – Sich die Frustlust auf dem Papier von der Seele reißen:



Und das Kunsthaus Bregenz zeigte Barbara Kruger: Believe + Doubt:



Leider kein Foto habe ich von dem Herren, der mir im Sillenbuch begegnet ist. Morgens beim Edeka stand er in roter Hose und schwarzem Trenchcoat vor mir an der Kasse (Kassiererin ratterte in einem fort: Grüß Gott!, Hamse ne Deutschlandkarte?, Sammelnse Punkte?) und kaufte eine Orange, abends dann in derselben Montur war er nach mir beim Ökobäcker dran. Gerne hätte ich ihn fotografiert, im wallenden Mantel mit ausgebreiteten Händen, in einer die Orange, in der anderen das Dinkelbrötchen, hab mich aber nicht getraut.

Mit diesem Gefährt war ich fast overtuned beinahe undercover unterwegs – und bin sogar nur einmal geblitzt worden. Noch Fragen?



Siehe im Zuge dieses Artikeln auch: Sakrale Kunst – Museumslandschaft in Deutschland.

Tags für diesen Beitrag 这本文章的标签: Reise 专程, Unterwegs 溜达, Ausstellung 展览, Gegenwart 当代, Künstler 艺术家, Malerei 绘画, Multimedia 多媒体, Fotografie 摄影, Häufig gelesen 频看, Vögel 鸟

... comment