Mittwoch, 9. Februar 2011
Willst du in meinem Himmel mit mir leben?
Berichten gäbe es so vieles (beispielsweise die Initiative, bettelnde Kinder zu fotografieren und damit Eltern von entführten Kindern eine mögliche Suchplattform zu bieten, gestartet von den beiden Mikroblog-Seiten auf QQ und Sina, s. China Media Projekt, hier ein Video mit Initiator Yu Jianrong auf Youku; oder ein Verweis auf die „Fake News“-Nachrichten, die diese Tage ein beliebtes Medienthema sind, s. etwa Global Times), heute aber möchte ich der Poesie frönen. Dies geschieht schon auch ein wenig aus Selbstmitleid, ich meine natürlich Mitgefühl, schließlich bin ich kein Künstler – oder bin ich sogar etwa doch noch ärmer dran als, dass man dieses Wort noch in den Mund nehmen mag, Kulturschaffender? Lest selbst, leidet und fühlet mit:

Die Teilung der Welt
Von Friedrich Schiller

„Nehmt hin die Welt!“ rief Zeus von seinen Höhen
Den Menschen zu. „Nehmt, sie soll euer sein.
Euch schenk ich sie zum Erb und ewgen Lehen,
Doch teilt euch brüderlich darein.“

Da eilt, was Hände hat, sich einzurichten.
Es regt sich geschäftig jung und alt.
Der Ackermann griff nach des Feldes Früchten,
Der Junker birschte durch den Wald.

Der Kaufmann nimmt, was seine Speicher fassen,
Der Abt wählt sich den edeln Firnewein,
Der König sperrt die Brücken und die Straßen
Und sprach: „Der Zehente ist mein.“

Ganz spät, nachdem die Teilung längst geschehen,
Naht der Poet, er kam aus weiter Fern.
Ach! da war überall nichts mehr zu sehen,
Und alles hatte seinen Herrn!

„Weh mir! so soll denn ich allein von allen
Vergessen sein, ich, dein getreuster Sohn?“
So ließ er laut der Klage Ruf erschallen
Und warf sich hin vor Jovis Thron.

„Wenn du im Land der Träume dich verweilet“,
Versetzt der Gott, „so hadre nicht mit mir.
Wo warst du denn, als man die Welt geteilet?“
„Ich war“, sprach der Poet, „bei dir.

Mein Auge hing an deinem Angesichte,
An deines Himmels Harmonie mein Ohr,
Verzeih dem Geiste, der, von deinem Lichte
Berauscht, das Irdische verlor!“

„Was tun?“ spricht Zeus. „Die Welt ist weggegeben,
Der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein.
Willst du in meinem Himmel mit mir leben,
So oft du kommst, er soll dir offen sein.“

Albert Meier (Hg.): Friedrich Schiller. Sämtliche Werke. Band 1. Hanser: München 2004, S. 205f.

Tja, die brotlose Kunst und Kultur – außer man schimpft sich Kulturmanager und geht das Ganze betriebswirtschaftlich an, nicht allerdings ohne den in der Kultur so überaus gerne erhobenen Moralfinger zu betätigen. Hach, was könnte ich mich jetzt hier ereifern. Ich fühle mich jedoch nicht annährend so betrogen wie der arme Schiller es tatsächlich war, und dabei leiste ich nicht einmal, das sollte eigentlich gar nicht der Betonung wert sein, einen Bruchteil von dem, was er uns hinterlassen hat. Deshalb halte ich jetzt auch lieber den Rand.

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