Donnerstag, 1. Oktober 2009
Der 1. Oktober 2009, 60 Jahre VR China
Heute ist es also soweit, der Tag, auf den viele Mittelschüler hin trainiert haben, auf den die diesjährigen Bauphasen hinausliefen (die Linie 4 soll seit zwei Tagen eröffnet sein), an dem möglichst wenige Störenfriede die nationale Harmonie stören sollten.

Auf allen CCTV-Kanälen läuft dasselbe Bild mit derselben Tonspur, auf Beijing und Tianjin TV das Ganze noch einmal aus einer anderen Kamera:

Zu Beginn der Parade fahren zwei Limousinen aus entgegengesetzter Richtung auf der Chang’an jie vor – aus einer blickt vor vier Mikrofonen platziert die Büste Hu Jintaos, aus der anderen die Fang Fenghuis, laut Sina handelt es sich bei ihm um den „Beijing Military Zone commander and military parade commander“, hier ein Bild derselben Seite:



Zunächst geht es an den Panzern, Soldaten und etlichen anderen militärischen Aufstellungen vorbei. Neben all der bunten Farbe aus der Vogelperspektive auf dem Tian’anmen, herrschen auf diesen Bildern Grün, Schwarz und Blau vor. In der Mitte angekommen spricht Herr Kommandeur Fang einen kurzen Salut gen Hu, der wendet sich mit einem „Die VR lebe 10.000 Jahre“ an das an die Bildschirme verbannte Volk und an die salutierenden Soldaten – im Fernsehen hört man letztere antworten, unten auf der Straße oder von den Nachbarn ist nichts zu vernehmen, eigentlich ist hier fast alles leer, denn die meisten sitzen vor den Bildschirmen. Applaus dann von den Tribünen und das Militär beginnt zu paradieren. Zunächst zu Fuß, in der Nahaufnahme imposant – von Soldatinnen mit kurzen Röcken und hohen Stiefeln (die auch tagesschau.de gefallen haben), Soldaten mit Gewehren im kulturrevolutionären Anschlag (ernsthaft, eine Pose), blockweise marschieren die einzelnen, vielleicht 20 verschiedenen Einheiten von Ost nach West. Ist der Zoom jedoch herausgenommen, wirken diese Blöcke eher winzig, nur ein kleines Kästchen bildend, umgeben von all dem Bunt um sie herum. Dann wird aber wieder aufgefahren, die Panzer rollen in endloser Zahl und Funktion, den militärischen Abschluss bilden, wenn ich aus meinem Fenster blickend recht gezählt habe, 8x9, aber wahrscheinlich eher 9x9 Hubschrauber und darauf 5 Düsenjets mit blau-gelb-rot-gelb-blauen Farbtrassen.

Die Machtdemonstration ist beendet, die Spielereien mögen beginnen. Es folgt ein thematischer Karneval mit all den modernen Errungenschaften und Vielfältigkeiten Chinas, mit geschmückten Themenwagen, die große Plasmaschirme und etliche Promis transportieren, umgeben von lebenden, sich verändernden Massenbildern: Autos, Züge und Raumschiffe; alle Minderheiten vereint auf einem und dann für jede Provinz einen eigenen Wagen – besonders demonstrativ erwähnt werden neben Tibet und Xinjiang Taiwan und HK; Sporthuldigungen, Olympiabekundungen; Revolutions- und Revolutionsführerwagen, allerdings aus der nahen Vergangenheit mit Deng Xiaoping als Ältestem; auch ein paar Ausländer dürfen sich in einen eigenen Wagen setzen und dabei sein. Dies sind die Hauptthemen, es folgen hiervon viele kleine und große Wagen.

So ziehen sie auf der Chang’an jie von Ost nach West entlang, nördlich vor ihnen auf der Balustrade über dem Mao-Portrait am Tian’anmen blickt die teilweise nicht sonderlich mediengeschulte Herrschaft des Landes zu (gerade bohrt sich einer in der Nase, dann blickt einer auf die Uhr, ein anderer gähnt), die meisten halten sich aber gut, weshalb einzelne vielleicht besonders auffallen. Zu sehen sind die stattlichen älteren Herren, die das Volk sonst nur aus der Kongresshalle kennt. Auf der großen Freifläche des Platzes südlich der Parade verläuft ein riesiges menschliches Massenbild nördlich von der Chang’an jie bis zum südlichen Volkshelden-Denkmal und westlich von der Großen Halle des Volkes bis zum östlichen Revolutionsmuseum, das sich thematisch verändert.

Nach der freudigen Paradiererei strömen alle in die Verbotene Stadt. Ehrlich gesagt hatte ich von Zhang Yimos Performance mehr erwartet. Natürlich wurde alles gegeben, Tauben frei und Luftballons fliegen gelassen, militärische Zeichen gesetzt, politisch korrekt die Minderheiten beteiligt und politisch demonstrativ die Grenzen betont. Aber das Ganze wirkte, abgesehen davon, dass es langweilig war – zwar viel und viele bunte Farben, aber noch nichts nie Gesehenes –, es wirkte vor allem nur grob zusammenhängend und teilweise sogar unstrukturiert. Aber gut, es war eine politische Machtdemonstration, die ich mir jedoch nicht ganz so plump plakativ vorgestellt hätte. Außerdem hatte ich eigentlich mit einer ins Detail perfekt gedrillten Veranstaltung gerechnet und da schien der Apparat doch nicht alle komplett im Griff zu haben – wenigstens ein Lichtblick.

Auf BTV läuft nach einem kurzen Zusammenschnitt der Highlights der Promenade ... das Neuste von irgendeiner Handymesse – ich muss gleich mal sehen, ob ich mehr über das neue EQ2 herausfinde.

Während ich dies abtippe und schreibe, beginnt und endet unten auf der Straße ein kleiner Tumult zwischen einem Taxifahrer, einem Motorradfahrer und einem Polizisten. Als das Taxi schon längst weggefahren ist und das Motorrad ebenfalls angerollt wird, herrscht der Polizist immer noch in lauter Stimme um sich herum. Die Devise, heute Ruhe auf den Straßen zu wahren, versucht er mit aller Aufregung einzuhalten.

Der Tag steht in seiner Blüte – nachdem das Wetter für heute nach den vergangenen anhaltenden diesigen Tagen blau bemalt ist, zieht es mich nach draußen ... heute Abend folgt das Feuerwerk.

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